Dienstag, 27. April 2010

Kinderglaube

Ob ich mir meinen Kinderglauben bewahrt, oder ihn neu gefunden habe, weiß ich so genau nicht. Aber häufig stehe ich neben mir und frage mich, ob ich das nun genau so sehen muß, wie ich es sehe. Ich glaube an das Ritual. Ich bin der festen Überzeugung, daß ein Gebet um so wirksamer ist, um so ritueller es ist. Manchmal nerve ich meine Umgebung damit, daß ich darauf bestehe, ein Gebet zu einer ganz bestimmten Gelegenheit, zu einer ganz bestimmten Zeit, in der alten Sprache Latein und dann auch noch zu singen, in einer Form des Gesang, die heute nur selten zu hören ist.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich recht habe, zumal in einer Zeit, die auf das "spontane" Gebet, die "spontane" Predigt, das Sich(Selbst)-einbringen so viel Wert legt. Manchmal gerate ich in prekäre Situationen. Was tue ich, wenn ein mir nahe stehender Mensch im Sterben liegt - so ist es geschehen - weiß ich doch, daß dieser Mensch keinen Priester rufen wird, daß er vielleicht wünscht oder doch nicht wünscht, daß ich für ihn bete. Was tun, bin ich doch der Überzeugung, daß es ungeheuer wichtig ist, daß gerade in diesem Moment das Richtige getan werden muß. daß jetzt ein ganz bestimmtes Gebet zu sprechen ist, und daß davon ungeheuer viel abhängt.
In solchen Situationen läßt uns die Kirche, jedenfalls die heutige, allein. Und so habe ich einfach ein altes Gebetbuch mit dem ordo exsequiarum an mich genommen, und die Gebete gesprochen - genau gesagt gesungen - die für den Fall vorgesehen sind, daß ein Priester nicht mehr rechtzeitig kommen wird, um den Sterbenden zu begleiten.

Eines meiner liebsten - oder für mich wichtigsten - Bücher ist Philippe Ariès "Studien zur Geschichte des Todes im Abendland". Es beschreibt die Verdrängung der Wahrnehmung des Todes in der neuzeitlichen Kulturgeschichte. Daß diese Verdrängung immer weiter geht, und daß der Verdrängungsprozeß keinesfalls zu Ende ist - der letztlich eine Folge wachsender Todesangst ist - wird offenkundig, wenn man unbefangen über einen Friedhof geht. Die Urnengräber nehmen zu. Sie sind billig und pflegeleicht, niemand erwartet, daß der meist einsame Tote - ein Urnengrab ist technisch in der Regel ein Einzelgrab - von seinen Angehörigen besucht wird, daß wer ein Requiem für den Toten hält, für ihn eine Messe stiftet, Blumen zu seinem Grab bringt, ein Licht anzündet, einen Rosenkranz betet. Die schon zur Zeit der Reformation ins Gerede gekommene katholische Praxis, für die Toten zu beten, ist im Schwinden begriffen. Zur dunklen Seite der Spaßgesellschaft gehört die Einsamkeit der Toten.

Für einen an Liturgie interessierten ist auffällig, daß es offenkundig ein besonderes Anliegen des Vat. II war, den Ordo exsequiarum zu reformieren. Egal, wie es gemeint war, aber erstaunlicherweise hat dies unter anderem dazu geführt, daß die Farbe schwarz aus der Liturgie verbannt wurde. Der heutige katholische Priester erscheint zur Beerdigung in der Regel in weiß oder violett, während die Trauergemeinde - wie seit unvordenklichen Zeiten - in Schwarz erscheint. Die oben abgebildete Casula, die jedenfalls gestickt wurde, bevor Ariès sein Buch schrieb, hängt daher in einem Museum (in Kremsmünster).

Sonntag, 18. April 2010

Vergelt´s Gott

für Eure Gebete. Mein Schwiegervater Karl-Heinz ist heute morgen um 6:30 verstorben.

Freitag, 16. April 2010

Ach mögen Engel Dich ins Paradies geleiten...



Märtyrer Dich bei Deiner Ankunft dort empfangen,
Dich führen in die Heilge Stadt Jerusalem,
Der Engel Chor nehm Dich in seine Mitte,
Und mit Lazarus, dem vormals Armen
Ausruhen mögest Du in Ewigkeit.

Mein Schwiegervater hat das Bewußtsein verloren. Es geht zu Ende.

In paradisum deducant te angeli



Von ganzem Herzen Dank und ein Vergelt´s Gott für Eure Gebete. Karl-Heinz liegt noch immer im Koma, wir wissen nicht, ob er noch einmal aufwachen wird, oder ob es zu Ende geht, ohne daß Karl-Heinz das Bewußtsein wiedererlangt. Wir beten jeden Tag um einen guten Tod. Finem perfectum concedat nobis dominus omnipotens.

Die Antiphon "in paradisum" gehörte ursprünglich zur Sterbeliturgie, wurde also am Totenbett eines Sterbenden gesungen. Heute ist der Platz dieser Antiphon der Moment, bevor der Sarg zum Grab getragen wird.

Mittwoch, 14. April 2010

Symbolum nicaeno konstantinopolitanum berlinensis (Symbolum Mertesium)

Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,
und durch die säkulare Welt
an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.

könnte mal bitte einer der Ordensoberen der SJ den Bremsfallschirm zünden? Herr Mertes findet offenbar den Knopf nicht mehr.

Freitag, 9. April 2010

Ich bitte um Euer Gebet

für meinen Schwiegervater Karl-Heinz, der im Sterben liegt.

Donnerstag, 8. April 2010

Rumpelmette und die Hermeneutik des Bruchs.

Einer der Gründe für unsere Reise nach Wigratzbad war der Wunsch, an den Osterfeiertagen an den Messen und Tagesgebeten des Triduum sacrum im usus antiquior teilzunehmen. Denn angeblich ist dies ja für "gewöhnliche" Gemeinden nicht erlaubt, so jedenfalls die Lesart der Deutschen Bischofskonferenz. Nun nutzt die Petrusbruderschaft die Sühnekirche aber gemeinsam mit den für die Betreuung der Wallfahrtsstätte eingesetzten Priestern, und siehe da - was angeblich nicht gehen kann, geht in Wigratzbad durchaus. Man arrangiert sich eben, und so findet die Karfreitagsmesse eben zweimal statt, um 14 und 17 Uhr - und viele Gläubige, selbst die zelebrierenden Priester, nehmen an beiden Messen teil. Dasselbe Arrangement gilt für die Samstagsmesse, die dann für die Priesterbruderschaft um 22 Uhr 30 stattfindet. und damit schon ziemlich spät endet.

Eine Form der Mette, das Officium tenebrarum feiert allerdings die Bruderschaft alleine - den diese ganz besondere und ganz besonders alte Form ist nach dem II. Vaticanum so nicht mehr möglich. Das II. Vaticanum hat unter anderem die Stundengebete (S.C. Kap. IV) radikal umgestaltet, mit dem Ziel den "heutigen Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen". Ergebnis ist unter anderem die Abschaffung der nächtlichen Matutin - sie wird durch die Lesehore ersetzt - und die Kürzung der Psalmengebete. Damit verbunden ist dann logischerweise die Ausweitung des Psalteriums zu einem Zwei- und Vierwochenpsalterium, damit angesichts der kürzeren Horen dann doch das gesamte Psalterium "abgehandelt" werden kann.

Dies schließt nun die Feier des Officium tenebrarum aus, denn dieses setzt sich aus der nächtlichen Matutin und den Laudes zusammen, die wiederum die Lesung oder den Gesang von insgesamt vierzehn (drei mal drei für die Matutin und fünf für die Vesper) Psalmen und Cantica vorsieht. Zwar gibt es noch eine verkürzte Version, die mit dem alten Officium tenebrarum jedoch rein gar nichts mehr zu tun hat.

Verbunden ist das Officium, das in dieser Form wenigstens 1500 Jahre alt ist, mit einem eigentümlichen Ritus. Auf einem wie eine Triangel geformten Kerzenständer sind insgesamt 15 Kerzen angebracht, nach jedem der insgesamt 14 Psalmen und Cantica wird eine dieser Kerzen gelöscht, am Schluß - während das Benedictus gebetet wird - auch die 6 Altarkerzen, eine Kerze bleibt übrig. Diese wird zunächst auf den Altar gestellt, dann hinter dem Altar versteckt, jedoch ohne sie zu löschen. Nach der vor der Reform von 1955 üblichen Weise wurde dann in völliger Dunkelheit Psalm 50 rezitiert. Der Ritus endet damit, daß die Anwesenden mit ihren Bücher auf die Bänke trommeln (Was bei dieser Form der Mette denn auch im Deutschen zum Namen "Rumpelmette" geführt hat), der Zelebrant holt die Kerze wieder hervor und stellt sie erneut auf die Spitze der Triangel.

Für diesen Ritus gibt es eine sinnreiche Erklärung: Die vierzehn Kerzen symbolisieren die 12 Apostel, und die beiden Marien, die Christus in seiner größten Not nach und nach verlassen. (die beiden Marien erst ganz zuletzt, die Apostel zuerst) Der Herr stirbt in völliger Einsamkeit und in der Dunkelheit, die sich über Jerusalem ausbreitet. Das "Gerumpel" erinnert an das Erdbeben, das nach dem Tod Christi die Stadt erschüttert, doch der Herr ist nicht gestorben, er wird wieder auferstehen aus dem Dunkel des Grabes.

Heute findet die Dunkelmette bedingt durch die Reform des Jahres 1955 nicht in der Nacht (ursprünglicher Termin war Mitternacht oder die übliche Urzeit der Matutin, drei Uhr) sondern am Vormittag statt. Immerhin findet sie überhaupt noch statt. Es existieren zahlreiche Vertonungen, praktisch jeder bekannte Kirchenkomponist hat für die Tenebrae komponiert. Und in Newmanns "Apologia pro vita sua" lese ich, daß er auf einer Reise nach Rom bewußt an keinem Gottesdienst teilgenommen habe, außer an den Tenebrae in der Sixtinischen Kapelle, vor allem um das Miserere zu hören. Ehrlicherweise sollte man den Untergang der Tenebrae, und damit den Untergang eines einzigartigen liturgischen Erbes nicht den Liturgiewissenschaftlern - allen voran Bugnini - in die Schuhe schieben. In diesem Fall ist das Konzil selbst für den Traditionsbruch verantwortlich zu machen. In diesem Fall kann nur die Hermeneutik des Bruchs richtig sein.

Montag, 5. April 2010

Lightshow

Langsam beginne ich, mich von unserem mehrtägigen Osterausflug in den Allgäu zu erholen. Oder besser von dem Abschied aus dem österlichen Allgäu. Die wenigen Urlaubstage, die wir uns dieses Jahr gönnen, wollten wir wenigstens in einer Region verbringen, in der Ostern gefeiert wird. Wir haben also die Ostertage in Wigratzbad verbracht. Nicht nur ein moderner - teilweise ein bissel zu moderner - Wallfahrtsort, sondern auch der Standort des für Europa zuständigen Priesterseminars der Petrusbruderschaft. Ein lichtreicher Ort - im ganz wörtlichen Sinn. Nicht nur daß hier die Zahl der mit elektrischem Licht illuminierten Christus- und Marienstatuten besonders dicht ist - in der Sühnekirche des Wahlfahrtsortes ist nicht nur der Heiligenschein der großen Marienstatue mit kleinen Glühbirnen besetzt, auch der Rosenkranz, den die Immaculata in Händen hält, besteht aus 58 kleinen elektrischen Lichtern - bei dem Besuch der nahegelegenen Wallfahrtskirche Maria Thann fand sich eine ganz altertümliche, nämlich spätbarocke Lightshow.
Die Kirche war nicht verschlossen, aber ich wollte den Rosenkranz, der gerade begonnen hatte nicht stören, und weil ich ein schrecklich neugieriger Mensch bin, wollte ich mir wenigsten einen Blick durchs Schlüsselloch verschaffen und blickte direkt auf eine Batterie aus grünen, gelben, roten und blauen Lichtern. Discobeleuchtung in einer Barockkirche? Was ich bei meinem kurzen Blick gesehen hatte, war eine der seltenen, genau genommen selten gewordenen spätbarocken Ostergräber. Zu der noch vollständigen, in diesem und dem letzten Jahrhundert sorgfältig ergänzten und restaurierten Ausstattung der Kirche gehört auch ein "Ostergrab", illuminiert mit großen, farbigen und mit Wasser gefüllten Glaskugeln, die ein mystisches vielfarbiges Licht auf die Jesusfigur werfen, die in einem eigens für die Nacht von Karfreitag auf Karsamstag aufgestellten Ostergrab ruht.

Leider kein Bild des Ostergrabs von Maria Thann, weil ich meine Kamera vergessen habe, und ein Handyfoto nur ganz blöd aussah. Nun sind die Ostergräber ein "Produkt" der Gegenreformation, die, wie sich an den Kirchenbauten des Barock und des Rokoko ablesen läßt, nicht zuletzt auf bildliche Darstellungen verließ. Für die katholische Theologie des Zeitalters der Aufklärung ein Graus, der im süddeutschen und österreichischen Raum zeitweise zu einem Verbot der Ostergräber führte. Nur wenige haben dieses Zeitalter überlebt, die letzten Ostergräber wurden nach den Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts, die wiederum auf Pädagogik setzten, außer Dienst gestellt.