Donnerstag, 29. Juli 2010

Hemma! Die isses!


Unter allen potentiellen Namensgebern für den kommenden Bloggozesenverdienstorden finde ich Hemma von Gurk schon deshalb am geeignetsten, weil der Name den meist ein ganz bißchen schrägen Humor, der in der Bloggozese vorherrscht am authentischsten zum Ausdruck bringt.

Außerdem find ich diesen Kopfputz einfach hinreißend.

Also bitte dringend hier Euer Votum für Hemma.

Dienstag, 27. Juli 2010

Die 68er sind an allem schuld ...


lesen wir mal wieder bei Eva Herman. 1970 kaufte ich mir von meinem ersten selbstverdienten geld diese schreibmaschine, Olivetti machte damals unter anderem damit reklame, daß die maschine jede Demo übersteht, gegen polizeiknüppel schützt, und anschließend noch das protestflugblatt gegen den soeben überstandenen polizeieinsatz auf der valentine geschrieben werden kann


Auf dieser maschine sind etwa ein halbes dutzend hausarbeiten für das erste jur. staatsexamen geschrieben worden (ich verdiente mir ein bißchen geld damit, daß ich für komilitonen, die nur das süstem adler beherrschten die hausarbeiten in reinschrift umsetzte). düsain Ettore Sottsass. gehäuse acrylbutadienstyrol. einfach super. die 68er waren doch nicht nur schlecht. und wenn das argument jetzt irgendjemand total autobahn findet - mir egal. die schreibmaschine steht in jedem düsainmuseum. sogar im centre pompidou. als hommage an ettore sottsass.

man schrieb in radikaler kleinschreibung und ultrareformierter ortografie.

Montag, 26. Juli 2010

Deathparade


Woodstock war für mich einst Synonym für Liebe, Frieden und Freiheit. Ich war ein Blumenkind. Später suchte sich dieses Blumenkind seine Kicks mit stärkerem Stoff. Drogen, Sex, Gewalt. High sein, frei sein, Terror muß dabei sein.

Wieder Jahre später war Woodstock für mich Synonym für Zügellosigkeit, wahllose Promiskuität, exzessiven Drogenkonsum, Verantwortungslosigkeit und Anarchie. Der Blick zurück auf die "Aquarian exhibition" läßt mich Woodstock als riesigen Hexensabbat sehen. Ein Blick in den Abgrund. Ein Blick in die Hölle. Ein Blick in die tiefste Finsternis, die sich - wie immer - als das irdische Paradies tarnt.

Vor Woodstock-ähnlichen Veranstaltungen von Loveparade bis Christopher-Street-Day krieg ich das Laufen, oder, wenn sich das Weglaufen nicht lohnt, das große Kotzen. Nun, ich stelle fest, daß auch andere mit der "geilen Party" keine himmlischen sondern eher höllische Assoziationen verbinden. Vor diesem Link sei allerdings gewarnt. Wer keine starken Nerven hat, sollte sich insbesondere die Bilderserie, die Eva Herman da ins Netz gestellt hat, besser sparen.

Aber Eva Herman hat recht. Es war jedem, der sich in dieser Szene auskennt klar, daß es irgendwann ein großes Unglück geben wird. Daß es so groß werden würde, wird niemand erwartet haben. Aber ist es denn wirklich so völlig überraschend, daß diese Massen-Versammlung besoffener, im wahrsten Sinn des Wortes aufgegeilter, mit Drogen vollgepumpter Menschen, die sich in Trance tanzen irgendwann einmal eine Grenze überschreiten würde. War es nicht so, daß das Unglück von Duisburg geschah, weil sich der Haufe nicht einsperren lassen wollte?

Die Loveparade wird nie mehr statt finden. Wenigstens eine gute Nachricht. 

Uns bleibt, für die bei diesem voraussehbaren Unglück Getöteten zu beten.

Sonntag, 25. Juli 2010

Die neuen Fronten des neuen Kulturkampfs


Erstaunlicherweise gibt es über den Kulturkampf des 19. Jahrhunderts wenig an Literatur, die derzeit noch nennenswerte Auflagen erreichte. Selbst die Deutsche Bischofskonferenz, auf deren Homepage noch vor einigen Jahren eine ausführliche Darstellung des Kulturkampfs der Jahre 1870 ff. zu finden war,  hat in ihrer aktuellen Darstellung der Geschichte der deutschen katholischen Kirche dieses Kapitel fast ganz gestrichen. So bleibt derzeit Manuel Boruttas Buch über den Antikatholizismus des 19. Jahrhunderts die einzige (beschränkt) lesenswerte Darstellung. Nun ist der "Antikatholizismus" eine Doktorarbeit, ursprünglich also nicht als Massenpublikation gedacht und dementsprechend schwer verdaulich. Der Autor hält sich brav an die Usancen des Wissenschaftsbetriebs, spart nicht mit Fußnoten, präsentiert einen gewaltigen Literaturapparat und vergißt auch nicht seinen Obulus an den Zeitgeist in Gestalt des allgegenwärtigen Herrn Foucault zu entrichten. Daß auch die Genderforschung bedacht werden muß, ist bei einer Doktorarbeit der neueren Zeit unausweichlich, jedenfalls dann, wenn der Doktorand eine akademische Karriere anstrebt.

Mit diesen Einschränkungen - auch der relativ hohe Preis stellt eine nicht geringe Hürde dar - ist das Buch sehr lesenswert, räumt Borutta doch mit einer überwältigenden Faktenfülle mit überkommenen Ideologien auf wie der, daß der protestantische Machtpolitiker Bismarck den Kulturkampf lediglich als Mittel eingesetzt habe, um seine höchsteigenen politischen Ziele zu verfolgen, daß der Kulturkampf somit auf Bismarcks protestantisches Preußen beschränkt war, der Kulturkampf somit Bismarcks Kulturkampf gewesen sei. Tatsächlich begann der Kulturkampf nicht in Preußen, war nicht auf das protestantische Norddeutschland beschränkt, waren Bismarck wie das preußische Königshaus eher Getriebene, als Akteure des Kulturkampfs. Die Theorie von "Bismarcks Kulturkampf" entpuppt sich damit als praktische Ideologie, hinter der sich die wirklichen Protagonisten bis heute verstecken.

Der Kulturkampf begann nicht in Preußen, sondern in den katholischen Ländern Italien und Bayern. Als er auf Norddeutschland überschlug, war nicht Bismarck die treibende Kraft sondern vielmehr die liberale Mehrheit des norddeutschen und später deutschen Parlaments. Die gnadenlosesten Verfolger der Kirche waren liberale Katholiken - zunächst die deutschkatholische, dann die altkatholische Abspaltung der una sancta. Die Leidtragenden waren schließlich nicht etwa allein die Katholiken, sondern auch die lutheranischen Landeskirchen, die wie die katholische Kirche unmittelbar betroffen waren von der Einführung der Zivilehe, der staatlichen Überwachung und Schließung kirchlicher Schulen, massiver Repressalien wie dem "Kanzelparagraphen."

Man könnte etwas lernen aus einer Beschäftigung mit dem Kulturkampf des 19. Jahrhunderts. Zum Beispiel, daß es noch immer die Liberalen sind - wie in Deutschland der Homosexuellenaktivist Westerwelle oder die "Humanistinnen" Leutheusser-Schnarrenberger (HU) und Pieper - die teilweise militant und immer noch oder schon wieder eine Verdrängung der Religion ins "Private", oder genauer gesagt in die häusliche Intimität fordern. Zum Beispiel, daß "progressive" Katholiken zu den weitaus militantesten Gegner der Kirche gehören, etwa von ZK bis WSK, nachdem der Deutschkatholizismus inzwischen in der agnostischen Diaspora gelandet, und der Altkatholizismus zu einer vernachlässigbaren Sekte geschrumpft ist.

Nun sind zu den alten antireligiösen Aktivisten neue hinzugekommen, Sozialisten, Kommunisten, Atheisten, "Humanisten", Feministen, die LGBT-Community. Und zu dem alten Feindbild Katholizismus (und immer schon der konservative Protestantismus und das konservative Judentum) sind noch zwei weitere hinzugetreten: der evangelikale Protestantismus und der Islam. Der "Kampf ums Kopftuch" weist jedenfalls fatale Ähnlichkeiten mit dem Kulturkampf des 19. Jahrhunderts auf.

Redet nicht Alice Schwarzer, die ein Kopftuchverbot selbst für muslimische Schülerinnen fordert, wie der altkatholische preußische Abgeordnete Windthorst?
In Kindergärten, Schulen und im öffentlichen Dienst allerdings hat dieses Kopftuch, das kein religiöses, sondern ein politisches Zeichen ist, nichts zu suchen. Hinzu kommt, dass es eine gewaltige Erleichterung für viele muslimische Mädchen aus orthodoxen oder fundamentalistischen Familien wäre, wenn das Kopftuch sie wenigstens in der Schule nicht als die „Anderen“ stigmatisierte, in ihrer Bewegungsfreiheit behinderte und sie von den Jungen wie Wesen von unterschiedlichen Sternen trennte. Wir würden den Mädchen mit dem Freiraum Schule überhaupt erst die Chance zu einer eines Tages wirklich freien Wahl geben.
Daß sich junge Frauen durchaus bewußt gegen ihre "sexuell befreite" Umwelt abgrenzen, und das Verbot des Kopftuchs ganz und gar nicht als Befreiung sehen, geht dieser Vertreterin des "vormundschaftlichen Staates", die ja ansonsten die völlige Entscheidungsfreiheit der Frau selbst über Leben und Tod fordert,  nicht in den Kopf. Sie denunziert das Kopftuchtragen wechselweise als unmittelbare Folge patriarchaler Strukturen oder - feministisch machomäßig - als krankhaften "weiblichen Masochismus". Und sie folgert und fordert:
... es gibt Grenzen der „Religionsfreiheit“. Mit der wollen ja auch christliche Fundamentalisten zum Beispiel begründen, wenn sie ihre Kinder nicht in unsere Schulen schicken. Schon seit Papst Johannes Paul II. ist übrigens ein Schulterschluss zwischen den Konservativen und Fundamentalisten beider Religionen zu beobachten. Im Visier haben sie beide dabei ihre Privilegien und die Selbstbestimmung der Frauen.
Und landet dabei wundersamerweise bei dem alten Feindbild Katholizismus.

Mit strukturell sehr ähnlichen Argumenten forderten auch schon die Altkatholiken Windthorst und Petri im 19. Jahrhundert massive Repressionen wie die Aufhebung katholischer Orden.
In der Manier des Schauerromans wurden die Geistlichen als Zombies dargestellt: als Tote, die auf Wink der Oberen zum Leben erweckt und als willenlose Truppen jederzeit in Stellung gebracht werden konnten. Aus liberaler Sicht besaß das Ordensverbot daher auch eine emanzipatorische Dimension. Für Sybel und den Linksliberalen Eduard Windthorst befreite es den Klerus aus "Sclaverei" und "Leibeigenschaft". Daß viele Geistliche Petitionen für den Fortbestand ihrer Klöster unterzeichnet hatten, schien lediglich das Vorurteil zu bestätigen, daß es sich um hörige Subjekte handle. (M.Borutta, Antikatholizismus, S. 260 f.)
Auch hier erscheinen Menschen, die sich für eine religiöse Lebensform entscheiden als Verführte oder Wahnsinnige, erscheint das staatliche Verbot dieser Lebensform als "Befreiung".

Irgendwo mußte ich ein weiteres CEEC-Bildchen unterbringen. Und die Bedrängung der Religionsfreiheit hat durchaus etwas mit Christi Passion zu tun.

Der Goldene, Silberne und Bronzene Isidor!


Nachdem fleißig über den Namen des katholischen Blogger-Preises gestritten wird, und Isidor - der kommende Patron des internet - in der Diskussion ist, ein kleines Bildlein aus einem Werk über Isidor von Sevilla aus dem Katalog des CEEC

Freitag, 23. Juli 2010

Teufel´s Werk


Bevor ich (wieder) begann, an Gott zu glauben, begann ich (wieder) an den Teufel zu glauben. Ich war ihm, woran ich noch heute fest glaube, begegnet. Zumindest war ich seinen Kreaturen begegnet, Menschen die vom Bösen besessen waren. Nicht von dem wolkig-innerpsychisch-bösen "Etwas", sondern von dem, wie er in der deutschen Sprache so plastisch heißt, "Leibhaftigen". Ich erinnere mich an eine bestimmte Szene, die den Charakter eines Tribunals hatte, weil ich wohl nicht so funktionierte, wie meine "Genossen" es erwarteten. Bei diesem Tribunal saßen mir drei "Richter" gegenüber. Nun, sie hatten dazu nicht das "Recht". Aber, so würde ich das heute sagen, in "seinem" Reich gibt es kein "Recht". Das Tribunal endete harmlos. Ich wollte sowieso diese Truppe hinter mir lassen.

Andere Tribunale, die diese Gruppe veranstaltete, später, als sich aus einem harmlosen anarchistischen Studenten- und Schülerverein die "Revolutionären Zellen" entwickelten, endeten weniger harmlos. Sie endeten mit der Erschießung der "Verräter", der "Feinde", und zu diesen Feinden gehörten auch - wieder einmal - Juden. 

Wenn ich mich heute in diese Tribunalszene hineinversetze, meine ich, ihn zu sehen, den Widersacher, den Vater der Lüge, den Mörder von Anfang an. Wie er hinter diesen dreien steht. Sein satanisches Grinsen, das den Raum erfüllt, das man nicht sieht, aber gewissermaßen spürt.

Ich glaubte also, noch bevor ich den Gottesglauben meiner Kindheit wiederfand, zuerst an die Gegenwart, die Wirklichkeit des Teufels - ich hatte drei seiner Jünger kennengelernt. 

Ich bin nun der festen Überzeugung, daß man auch in den seltsamen Umständen, die zum Scheitern des Aufstands vom 20. Juli 1944 führte, seine - des Widersachers - Wirken erkennen kann. Die Gruppe um von Stauffenberg organisierte allein fünf Attentate, die sämtlich scheiterten.
Einer der ersten Attentäter, die als lebende Bombe Hitler umbringen wollten, war Major von Gersdorff, Abwehroffizier der Heeresgruppe Mitte. Er sollte sich bei einer Ausstellung von Beutewaffen im barocken Berliner Zeughaus Unter den Linden in die Luft sprengen - und Hitler mit. In jeder Manteltasche trug er eine Zeitbombe, die Zünder tickten bereits. Aber Hitler eilte, wie von Furien gejagt, durch die Ausstellung. Sechs Offiziere des Hauptquartiers der Heeresgruppe Mitte verschworen sich daraufhin zu einem Gemeinschaftsattentat. Aber Hitler blieb aus. Stauffenberg gewann danach den hünenhaften, hochdekorierten Hauptmann Axel Freiherr von dem Bussche, der Zeuge geworden war, wie die SS in Polen Juden erschoß. Er sollte zuschlagen, wenn Hitler neue Uniformen besichtigte. Kurz zuvor aber wurde von dem Bussche schwer verwundet und verlor ein Bein. An seine Stelle trat Ewald von Kleist, doch die Vorführung fiel aus, weil die Uniformen bei einem Luftangriff verbrannt waren. Hitler hatte seinen Schutzteufel. Insgesamt mehr als 40 Attentate schlugen fehl.
heißt es in einem Artikel über den letzten Überlebenden des 20. Juli Ewald von Kleist in der "Welt".

Wir wissen nicht, was geschehen wäre, wäre die Operation Walküre erfolgreich verlaufen. Aber hätten die Widerständler einen Waffenstillstand erreicht und einen ehrenhaften Frieden für ein anderes Deutschland, dem es gelungen war, das Scheusal abzuschütteln, wäre die polnische Heimatarmee nicht im Warschauer Aufstand verblutet, der nur wenige Tage nach dem Aufstand des 20. Juli 1944 stattfand, Millionen Menschenleben wären gerettet worden, denn in den wenigen Monaten bis zum Mai 1945 starben in diesem Krieg noch einmal mehr, als in den Kriegsjahren davor.

Vor allem aber wäre Osteuropa nicht in die Händen des zweiten Satansdieners gefallen, Stalin, der von der Niederlage seines ehemaligen Bündnispartners weit mehr profitierte, als andere Mächte, die gegen Hitler kämpften. Die dunkle Zeit der kommunistischen Diktatur wäre Osteuropa und auch der Kirche Osteuropas erspart geblieben. 

Montag, 19. Juli 2010

Die preußische Madonna

Daß es im Norden Deutschlands keine Marienverehrung gäbe, ist ein ganz übles Gerücht. Ja sind wir denn aus Stein? Schließlich hat selbst Luther eine Marienhymne gedichtet und von dem protestantischen  (zugegebenermaßen ziemlich kryptokatholischen) Dichter Novalis ist eines der anrührendsten Mariengedichte überhaupt überliefert:

Ich sehe dich in tausend Bildern, 
Maria, lieblich ausgedrückt; 
Doch keins von allen kann dich schildern, 
Wie meine Seele dich erblickt

Ich weiß, daß aus der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennbar süßer Himmel
Mir ewig im Gemüthe steht

Nun hat Novalis auch für andere Frauen, die im eher leibhaftig präsent waren, anrührende Gedichte geschrieben, die "Hymnen an die Nacht", sein berühmtestes Werk, richten sich an seine verstorbene Geliebte, Sophie von Kühn.

Mit anderen, an eine hinreißende Dame gerichtete Gedichte hat sich Hardenberg hingegen zunächst eher in die Nesseln gesetzt.

An den König
Mehr als ein Königreich gab der Himmel Dir in Louisen,
Aber Du brachtest Ihr auch mehr, als die Krone, Dein Herz.
usw. usf.


Dem Vernehmen nach war der preußische König über diese höchstdichtleriche Anhimmelung seiner in der Tat ausgesprochen liebreizenden Gattin nicht so sehr angetan, zumal die Gedichte auch noch als Vorspann zu einer kleinen Sammlung ausgesprochen kunstvoll gestalteter Aphorismen diente, in denen Friedrich von Hardenberg einerseits die Königin als Mitregentin empfahl, gleichsam als Regentin des weiblichen Teils des preußischen Staates, andererseits auch noch die Vortrefflichkeit der repräsentativen Democratie lobte.

Was nun weder die politische Karriere von Novalis hinderte, der später zum Supernumerar-Amtshauptmann (heute würde man das etwas weniger poetisch-romantisch Landrat nennen) im Thüringischen Kreis ernannt wurde, noch den politischen Einfluß seiner Familie minderte. Später sollte dann eine anderer von Hardenberg, gemeinsam mit einem Herrn Freiherr von Stein sowie den Herren von Gneisenau, von Scharnhorst und von Humboldt die preußischen Reformen ins Werk setzen.

Die Herren hatten dabei eher die Unterstützung wie auch den Rat der angehimmelten Königin als den des Königs zur Seite. Sie - unsere preußische Madonna - ist womöglich eher als ihr königlicher Gemahl die Architektin der preußischen Reformen, die letztlich den Wiederaufstieg Preußens zur Weltmacht ermöglichten. Unter anderem deshalb, weil sie dem unflätigen Polemiker von Stein Manieren beibrachte und seine von Beschimpfungen und Verbalinjurien strotzenden Denkschriften einer milden, weiblich-diplomatischen Zensur unterzog.

Da sage also noch einer, daß Gedichte schreiben nichts bringt.

Heute ist der 200. Todestag der preußischen Königin Luise. Daß es so viele, allerdings ziemlich unterschiedliche, aber immer entzückende Bilder von ihr gibt, ist offensichtlich nicht nur der Tatsache geschuldet, daß sie in der Zeit Napoleons - die in Deutschland auch die Zeit der Romantik war - nun einmal preußische Königin war. In dem silberdurchwirkten weißen Empire-Kleid, in dem sie Napoleon (übrigens auf Rat von Hardenbergs) aufsuchte, um einen gerechten Frieden zu erbitten, muß sie einfach unwiderstehlich ausgesehen haben. Napoleon konnte sie damit allerdings nicht beeindrucken. 

Samstag, 17. Juli 2010

Presse, Politik, Kulturkampf 1872/2010

"Der Prozeß der Medialisierung veränderte nicht nur die Produktion und Diffusion, sondern auch die Rezeption antiklerikaler Medien. Spezielle Rubriken und beiläufige Meldungen informierten die Leser zu Hause, im Café oder Club über geistliche Verfehlungen in aller Welt. Um die Macht solcher täglichen "Information" zu illustrieren, zeigte der "Kladderadatsch" 1872, "weshalb die Geistlichkeit am Rhein und in Schlesien den Bauer" das Lesen liberaler Zeitungen verbot: weil deren Spalten voll waren mit Berichten über "Verbrechen der Geistlichkeit gegen die Sittlichkeit". Aus solche Skandalchroniken berief sich Virchow 1873, als er das verfassungswidrige staatliche "Kulturexamen" mit dem Argument verteidigte, daß es in Priesterseminaren ständig zu unsittlichen Handlungen komme:" (Manuel Borutta, Antikatholizismus)
"wie sich diese Verhältnis sittlich macht, darüber haben die Gerichtsverhandlungen der letzten Jahre leider nur allzu häufig Aufschlüsse geliefert. (Oho! im Centrum) Ja meine Herren, ist ihnen das noch nicht häufig genug? Ich muß sagen, ich bin schon entsetzt darüber, daß es so häufig geschieht. Zuerst habe ich es auch für solitäre Erscheinungen gehalten, aber wenn sich das von Jahr zu Jahr in steigendem Maße wiederholt, in dem Maße, als die öffentliche Aufmerksamkeit sich diesen Dingen zuwendet, so muß man sich sagen, das kann doch unmöglich eine sittliche Form sein, wenn immer wieder Lehrer an diesen Schulen genöthigt sind, sich bei Nacht und Nebel aufzumachen und aus dem Lande zu wandern, um sich den Verfolgungen zu entziehen, dann, meine Herren, werden sie zugestehen müssen, diese Knaben-Seminare dienen häufig anderen Zwecken, als dem Zweck einer eigentlich religiösen Erziehung. (Oho! Pfui! Rufe: In einzelnen Fällen!) Es sind einzelne Fälle vorgekommen, aber diese Fälle liegen in der Natur dieser Organisation." (Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Preußischen Landtags, Haus der Abgeordneten vom 17.1.1783)
Ersetze den linksliberalen Einpeitscher des Kulturkampfes Rudolf Virchow durch die linksliberale Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, ersetze die "Allgemeine Zeitung", die "Gartenlaube", den "Kladderadatsch" durch Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche Zeitung, Augsburger Allgemeine, Spiegel und Titanic und Du siehst, daß sich weder in der Sache, noch in der Polemik, noch in den Parteiungen, die sich hier bilden in den letzten 138 Jahren etwas geändert hat. Auch daß sich linksliberale Katholiken wie Deckers, Prantl und Co. an der vordersten Front des neuen Kulturkampfes finden, ist nichts Neues. Die wildesten Einpeitscher des Kulturkampfes waren Liberalkatholiken vor allem des deutschkatholischen und altkatholischen Spektrums. Die altkatholischen Abgeordneten Eduard Windthorst und Wilhelm Petri hatten sich vor allem das Verbot der katholischen Orden auf die Fahnen geschrieben. Sie übertrafen den linksliberalen Katholikenfresser Virchow noch in der Radikalität ihrer Forderungen und der Maßlosigkeit ihrer Polemik. Sie konnten gegen den Protestanten Virchow ja noch ins Feld führen, daß sie doch noch besser wüßten, wovon die Rede ist.

Die Hure Babylon, die Urmutter der "Frau Welt" gezeichnet von einem meiner Lieblingsmaler William Blake. Fiel mir ein, als ich auf einem amerikanischen katholischen Webseite etwas von der "World Press" las.  Kann man ja auch so lesen, als FrauWeltPresse.

Lieblingseite und Lieblingsheilige

Schöne Sachen zu sehen gibt es in jedem Fall auf einer meiner Lieblingsseiten, Daniel Mitsuis "the lion and the cardinal". Wer einen kleinen Eindruck von der Pracht und der Schönheit der Kirche gewinnen will, dem sei diesen Seite in jedem Fall empfohlen.

Die abgebildete casula ist laut Daniel Mitsui von Thérèse von Lisieux gemalt worden. Woran man sieht, daß die sogenannten kontemplativen Orden keineswegs tagaus, tagein mit der Kontemplation beschäftigt waren, sondern auch mit dem "Gebet mit Nadel und Faden". Schade, daß diese Form des Gebets seit der Liturgiereform nicht mehr gefragt ist. So mancher Frauenorden hat dadurch seine Einkünfte verloren.

Freitag, 16. Juli 2010

... sie ist der Fehler

Nein, alle Bemühungen der Kirche um die Aufklärung der Mißbrauchsfälle, alle Erklärungen des Papstes, alle Ansprachen, alle rechtlichen Klarstellungen, die Verschärfung von Strafvorschriften, sie genügen nicht. Daniel Deckers erkennt in der heutigen FAZ zwar an, daß es Benedikt XVI selbst war, der als erster einen strikten organisatorisch-rechtlichen Rahmen für die Verfolgung von Mißbrauchsfällen geschaffen hat, bemerkt aber abfällig, daß all dies nichts tauge, solange die "habituellen und strukturellen" Ursachen nicht beseitigt seien.

Heribert Prantl (Süddeutsche), der der Bischofskonferenz die "geschlossene Auster" für ihre angebliche Geheimnistuerei in der Mißbrauchsdebatte verleiht (zur Erinnerung: es war der Leiter einer katholischen Schule der - wenn auch aus sinistren Beweggründen - die ersten Fälle ans Licht gebracht hat) läßt da alle Zurückhaltung fahren, und haut mal so richtig auf die Kacke:
"Pädophilie ist das Risiko einer zwangszölibatären und monosexuellen Kirche, der in 2000 Jahren zwar die Vertreibung der Frauen aus allen Machtpositionen, aber nicht die Entsexualisierung des Menschen gelingen konnte." (laut der Printausgabe der Tagespost von heute). 
Qualitätsjournalimus zeichnet offenkundig aus, daß er fähig ist, in einem einzigen Satz ein Maximum an Vorurteilen unterzubringen.
"Mit der Forderung nach Öffnung und Demokratisierung hat Papst Johannes Paul II. einst den Ostblock gesprengt. Dies Forderung liegt jetzt auf den Stufen des Petersdoms. Damals, im Ostblock, hieß das "Neue" Glasnost und Perestroika. Heute, in der katholischen Kirche, heißt es unter anderem Aufhebung des Pflichtzölibats und Frauen-Ordination"
Wow. Archipel Gulag und Stasi-Staat, Schießbefehl und Mauerbau, Stacheldraht und Reiseverbot gleich "Pflicht"-Zölibat und Verbot der Frauen-Ordination. 

Fassen wir kurz zusammen: die Kirche macht keine Fehler: sie ist der Fehler.

Die Illustration zu diesem post mag irritieren. Der Fotograf - Lewis Carroll alias Charles Lutwidge Dodgson - ist der mit Abstand beliebteste Kinderbuchautor des englischen Sprachraums. Wobei auch Erwachsene seine "Alice im Wunderland" einfach wundervoll finden dürfen. I do so. 

Dodgson war Diakon der anglikanischen High Church und lebte seinem Weihegelübde folgend, zölibatär. Alice Liddell, für die er seine Alice schrieb, war eine der Töchter seines Vorgesetzten, des Dekans von Christ Church, Oxford. Daß irgendeiner seiner Zeitgenossen in seiner Zuneigung für die Kinder seiner Kollegen etwas anderes sah als die Begeisterung eines begnadeten Lehrers und Pädagogen für seine Schüler, ist nicht bekannt. Nacktfotos von Kindern sah man als Symbol kindlicher Unschuld. 

Es war dem 20. Jahrhundert vorbehalten, in seine Texte und Fotographien pädophile Neigungen hineinzugeheimnissen, die - selbstverständlich - ihre Ursache in seinem gelebten Zölibat haben mußten. Und da ihm nicht wirklich pädophile Neigungen nachgewiesen werden konnten, machte ihn seine Biographen - wohlgemerkt ausschließlich die des 20. Jahrhunderts - eben zu einem verkappten Pädophilen.
"We cannot know to what extent sexual urges lay behind Charles's preference for drawing and photographing children in the nude. He contended the preference was entirely aesthetic. But given his emotional attachment to children as well as his aesthetic appreciation of their forms, his assertion that his interest was strictly artistic is naïve. He probably felt more than he dared acknowledge, even to himself."
Behauptet der Biograph Morton Cohen. Wobei  die latenten paädophilen Neigungen Ihre Ursache in seiner zölibatären Lebensweise haben mußten, so daß seine "sexual energies sought unconventional outlets." Auch wenn die Theorie, daß das Zölibat pädophile Neigungen hervorbringt, in etwa so gut begründet ist, wie die Theorie, daß Onanie zum Rückenschwund füjhrt, so ist sie bei freudianinisierenden Autoren wie süddeutschen Journalisten doch ungemein verbreitet.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Biblia argentina


Und der Mensch gab einem jeglichen Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen ward kein Vertragspartner gefunden, der um ihn wäre.

Da ließ Gott der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm seiner Rippen eine und schloß die Stätte zu mit Fleisch.

Und Gott der HERR baute einen Vertragspartner aus der Rippe, die er vom Menschen nahm, und brachte ihn zu ihm.

Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird ihn Vertragspartner heißen, darum daß er vom Vertragspartner genommen ist.

Darum wird ein Vertragspartner Vertragspartner und Vertragspartner verlassen und an seinem Vertragspartner hangen, und sie werden sein ein Fleisch.

Und sie waren beide nackt, der Vertragspartner und der Vertragspartner, und schämten sich nicht.

Nicht die Gläubigen verlassen uns...

sondern die Ungläubigen.

Ich widerspreche nur ungern (gelogen; ich widerspreche von Berufs wegen), jedenfalls widerspreche ich ungern Alipius. Aber diesmal muß es sein. Ich widerspreche der These - die wohl eher eine Vermutung ist - daß uns die "Gläubigen" verlassen. Gemeint ist es sicher anders, aber die Wortwohl ist irreführend. Nicht die Gläubigen verlassen uns, sondern die Ungläubigen. Nicht die verlassen die katholische Kirche, die sich den Katechismus zu Herzen nehmen, ihrer Sonntagspflicht genügen und darüber hinaus noch viel mehr tun, die den Heiligen Vater in Rom nicht nur so nennen, sondern ihn auch dafür halten. Die verlassen die Kirche, deren Bindung an den Glauben ohnehin schwach ist, und die Zahl dieser eher Ungläubigen als Gläubigen ist in Deutschland hoch.

In Deutschland bezeichnen sich nur 43 % der Bevölkerung als religiös, weit weniger als formal einer Kirche oder Religionsgemeinschaft (66 %) angehören. Es sind diese reliös eher indifferenten, die in Krisenzeiten wie diesen geneigt sind, die Kirche zu verlassen.
Ob jemand einen Kirchenaustritt erwägt, hängt in erster Linie von seinen religiösen Bindungen ab. Konfessionsmitglieder mit starker religiöser Verankerung sind kaum für Austrittsgedanken anfällig, dagegen sehr wohl diejenigen, in deren Leben Religion eigentlich keine nennenswerte Rolle spielt. Von den Konfessionsmitgliedern, für die der Glauben eine große Rolle spielt, haben 9 Prozent schon einmal an einen Austritt gedacht, von den religiös völlig Indifferenten 69 Prozent.
Sagt uns Allensbach.

Noch einer weiteren Alipius-These bin ich geneigt zu widersprechen.
wo der schwindende Katholizismus ein Vakuum entstehen läßt, drängt das nach, was am nächsten sitzt. Und das ist zumindest in Europa immer noch der Protestantismus.
Die These widerspricht den nackten Zahlen der Statistiker. Der Kirchenaustritt führt nur in den seltensten Fällen zu einer anderen Kirche, in den meisten ins Vakuum. Und noch immer hat die Ev.Ki. mehr mit Austritten zu kämpfen, als die katholische.Kirche. Wie nicht nur bei Allensbach. nachzulesen, ist die religiöse Bindung der Protestanten geringer als die der Katholiken und das wachsende Spektrum der Konfessionslosen speist sich vor allem aus dem protestantischen Reservoir. 19 % der Konfessionslosen war einmal katholisch aber 35 % waren evangelisch.

Die religiöse Lücke wird - Standarthema dieses Blogs - vielmehr gefüllt mit der Sakralisierung der Person, der Gesellschaft und der Politik. Die Sozialisten hatten schon immer den Nimbus einer ersatzreligiösen Bewegung. Bekanntlich rettet uns keine höhres Wesen. Und die Ökos habe ich schon deshalb weit hinter mich gelassen (ich habe es getragen fuffzehn Jahr), weil der pseudoreligiöse Glaube an die Reinheit und Wahrheit eines in weiten Teilen aus den 70er Jahren stammenden Programms alles überstrahlt, vor allem die politische Vernunft.

Nicht zuletzt dürfte der Eso-Boom vom Nachlassen der Bindungswirkung der Religion profitieren, was ja - siehe Court de Gébelin und seine Jünger - schließlich schon immer so war.

Und schlußendlich protestiere ich - jawoll - gegen die These, wir beobachteten eine "Protestantisierung" der Kirche. In liturgischer Sicht mag dies stimmen, in ethisch-moralischer Sicht stimmte das noch nie. Schon Max Weber hat in seiner zugegeben milde antikatholischen Studie über Protestantismus und Kapitalismus darauf hingewiesen, daß der "moralische Rigorismus" der Calvinisten stärker ist, und immer stärker war, als der der in gewisser Weise stets geduldigeren und liberaleren katholischen Kirche.

Kandidierte nicht gerade vorgestern ein *piep*liberaler Pro-Choice-Katholik (Kerry) gegen einen in ethischen Fragen wesentlich standhafteren Pro-Life-Protestanten (Bush)?

Sicher, die mehrheitlich *piep*liberale Landeskirche kann man in fast jeder Hinsicht in der Pfeife rauchen, doch es gibt Traditionen und Vereine, die eine aufrecht-christliche Haltung pflegen. Auf das flammende Plädoyer evangelischer Diakonissen für das Zeichen der Ehelosigkeit habe ich ja schon hingewiesen. Und auf die Lehren des Kulturkampfes. Da waren es durchaus nicht die Protestanten, die gegen die Katholiken "auf der anderen Seite der Barrikade" standen. Und das Zentrum war zwar mehrheitlich katholisch, aber keinesfalls eine Konfessionspartei.

Wir sollten uns klar machen, daß Christen entgegen den Mitgliedsstatistiken in unserem Land längst eine kleine Minderheit darstellen, bedauerlicherweise vor allem unter den Jüngeren. Doch das Bewußtsein, eine Minderheit zu sein, kann auch Motor einer religiösen Gegenbewegung sein. So steigt die Identifikation mit der eigenen Kirche bei den verbliebenen Protestanten wie Katholiken:
Am Beginn der neunziger Jahre verbanden 52 Prozent der Konfessionsmitglieder mit ihrer Mitgliedschaft die Möglichkeit, zum Beispiel die Heirat und die Geburt eines Kindes gebührend zu feiern, heute 65 Prozent. Ruhe, Gelegenheit zu Reflexion und Meditation sahen zu Beginn der neunziger Jahre 25 Prozent als Gratifikation ihrer Kirchenmitgliedschaft, heute 39 Prozent. Der Anteil, der aus seiner Kirchenmitgliedschaft Trost in schwierigen Lebensmomenten zieht, hat sich von 25 auf 33 Prozent erhöht.
Und gerade unter den Jugendlichen, die in ihrer Altersgruppe noch mehr zu einer religiösen Minderheit gehören, als die Älteren, wächst neue Stärke, die das Überleben der Religion wahrscheinlicher scheinen läßt, als ihr, wie es Marx nannte, "Absterben".
Die Minderheit der religiösen jungen Menschen unter 30 Jahren unterscheidet sich in vieler Hinsicht von den religiös indifferenten Altersgenossen: durch eine stärkere Familienhinwendung, ein überdurchschnittliches soziales Verantwortungsgefühl, Aufgeschlossenheit, Bildungsorientierung und eine signifikant größere Bereitschaft, sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen wie mit Fragen nach dem Lebenssinn auseinanderzusetzen, sowie unterdurchschnittlich ausgeprägten Materialismus.
Unter der jungen Generation sind die Christen in einer ähnlichen Lage wie es die Christen am Beginn des christlichen Zeitalters waren. Sie waren in der Minderheit, aber sie waren Anhänger einer zukunftsfähigen Moral, sie waren sozial verantwortlicher, politisch engagierter, gebildeter und leistungsfähiger als die Anhänger einer zum Sterben verurteilten Kultur. Die Kultur des Todes ist selbst nicht überlebensfähig.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Voltaires Katzengold

Auf den ersten Blick wirkt das vielleicht seltsam. In meiner "atheistischen Phase", so zwischen 67´ und 77´ habe ich mich intensiv mit so mancherlei esoterischem Krimskrams beschäftigt. Unter anderem mit Astrologie - da faszinierte mich eher die mathematisch-astronomische Basis - am liebsten mit dem Tarot. Über Jahre habe ich meine Verwandtschaft und Bekanntschaft mit selbstberechneten und gezeichneten Astrodiagrammen beglückt und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, Hochzeiten, Geburtstagen usw. habe ich Freunden, Verwandten und Bekannten "die Karten gelegt".

Der Mensche füllt, so die Lehre die ich daraus ziehen würde, die geistliche Leere, die ihn bedrückt, wenn er sich von Religion distanziert und Gott aus seinem Leben aussperrt, mit pseudogeistlichem Katzengold. In einer Zeit. in der die Kirche für die Mehrheit zum Ärgernis oder zur Torheit geworden ist, machen die Eso-Pusher beste Geschäfte.

Bei näherer Beschäftigung mit dem Tarot machte ich vor kurzem die erstaunliche Entdeckung, daß es den aufgeklärten europäischen Gebildeten offenbar nicht anders ging, als es mir gegangen war. Ausgerechnet die Aufklärer, die die Kirche zum exotisch-orientalischen Fremdkörper umphilosphierten entwickelten ein merkwürdiges faible für meist pseudoexotische-pseudorientalische Esoterik. Nicht erst die Hippies des 20. Jahrhunderts, sondern bereits die Aufgeklärten des 18. Jahrhunderts begeisterten sich für pseudoreligiösen Kitsch, den sie - meist fälschlich - noch der vorantiken Frühzeit zuordneten.

An der Begeisterung für den Gebrauch des Tarot läßt sich das wunderbar nachvollziehen. Die heutigen "Erkenntnisse" der Tarot-Industrie, daß es sich um okkultes Wissen aus der Zeit der Pharaonen handelte gehen auf einen calvinistischen Pastor und Freimaurer zurück, den in der Szene hoch verehrten Antoine Court de Gebelin. Antoine Court lernte das Spiel in Paris kennen, nicht etwa als Instrumentarium der Wahrsagerei, sondern als schlichtes Kartenspiel. Seine "wissenschaftliche" Beschäftigung führte zur "Erkenntnis", daß es sich hier um uralte Symbole einer ägyptisch-hebräischen Epoche der vorchristlichen Zeit handelte. Antoine Courts Theorie zufolge hatten Zigeuner - die man in der Zeit der Aufklärung gleichfalls für Ägypter (engl. Gypsies) hielt, ihre magischen Karten nach Europa gebracht.

Diese Theorie ist widerlegt. Sie beruhte im übrigen niemals auf wirklicher wissenschaftlicher Arbeit, sonder war schlichte Spekulation. Eine sehr erfolgreiche, man gebe etwa das Wort Tarot in eine beliebige Suchmaschine ein, und man wird tausende von Titeln finden, die sich mit dem Thema beschäftigen. Die Zahl der Tarot-Decks, die in den letzten Jahrzehnten verkauft wurden und in Gebrauch sind, dürfte sich auf Millionen belaufen. Wissenschaftliche Titel, die sich ernsthaft und seriös mit dem Tarot beschäftigen sind hingegen dünn gesät.

Dort läßt sich allerdings nachlesen, daß Tarot mit Ägytenland nichts, mit der Ägyptomania der französischen Auklärung sehr viel zu tun. Tarot (tarocchi-) Karten sind schon seit dem 15. Jahrhundert bekannt, bis zu Antoine Court de Gébelin "Entdeckung" dienten sie nicht der Wahrsagekunst, sondern dem Kartenspiel.

Wäre noch zu erwähnen, daß Court de Gébelin mit der Crème de la crème der französischen Aufklärung verkehrte. Als prominentes Mitglied der in ihrer Zeit prominentesten und einflußreichsten Freimaurerloge, der Loge "Les Neuf Sœures", war Antoine Court gemeinsam mit dem damaligen amerikanischen Botschafter Benjamin Franklin an der Initiation von niemanden anderem als Monsieur Voltaire beteiligt.

Antoine dürfte wohl auch einer der ersten Märtyrer der Esoterik gewesen sein. An einer schweren Infektion erkrankt, begab er sich ausgerechnet in die Hände des esoterischen Quacksalbers Mesmer. Der konnte ihn zwar zunächst kurieren, nach einem Rückfall aber starb Antoine Court während einer Behandlung mit  von Monsieur Mesmer "magnetisiertem" Wasser.

Ci-gît ce pauvre Gébelin,
Qui parloit Grec, Hébreu, Latin;
Admirez tous son héroisme:
Il fut martyr du magnétisme.

Das Titelbild gibt die Karte "Glaube" aus einem der ältesten (und schönsten) Tarot -Kartenspiele wieder, dem Visconti-Sforza-Tarot. Die christliche Symbolik überwiegt. Keine Spur von den alten Ägyptern.

Dienstag, 13. Juli 2010

Anglikanische Selbst-Zerlegung


Gegen die Ordination von Frauen zu BischöfInnen sprechen zumindest bei semialtgläubigen Vereinen wie der Anglikanischen Kirche  theologische und liturgische Gründe. Betrachtet man diese Versammlung anglikanischer BischöfInnen, scheinen mir auch ästhetische Gründe dagegen zu sprechen.

Jedenfalls bemüht sich die CoE wieder einmal angestrengt darum, sich selbst zu zerlegen. Der Beschluß, auch Altgläubige dazu zu zwingen, sich in jedem Fall auch einer Bischöfin zu unterstellen, führt in der Konsequenz zu einem Squeezing-out der letzten Anhänger der High Church Englands nebst der eher evangelikal gewirkten Traditionalisten.

Welcome home, brothas an sistas!

Montag, 12. Juli 2010

Musik für die Liturgie


Vor einiger Zeit habe ich auf die Chabanel-Psalmen aufmerksam gemacht, als hervorragendes Beispiel moderner liturgischer Komposition. Die Initiatoren haben eine Gruppe junger Komponisten mobilisiert, die sich um die Neuvertonung der liturgischen Texte der katholischen Messe der ordentlichen Form bemühen. Ein "work in progress", keinesfalls beendet, und leider - da in englischer Sprache - für den deutschen Sprachraum nur begrenzt einsetzbar.

Aber die Chabanel-Psalmen sind nur ein Teil der bemerkenswerten Arbeit von CorpusChristiWatershed Zu den Projekten gehört unter anderem ein internet-Compendium aller 18 gregorianischen Messen - eine Fundstelle für Gemeinden und Scholen, die nicht immer nur die "Missa de Angelis" singen wollen - jeweils mit Noten zum Ausdrucken und Youtube-Filmen, direkt abrufbar über Youtube oder über die Homepage von CorpusChristisWatershed.

Mittlerweile hat man auch hier die - wie es im Amerikanischen so schön heißt - extraordinary form entdeckt. Die Seite scheint noch nicht ganz vollständig zu sein, wird aber, so wie es aussieht, wohl noch im Laufe des liturgischen Jahres vervollständigt.

Vor allem für kleine Landpfarreischolen eine Fundgrube.

Die einzelnen Projekte sind jeweils nach den jesuitischen Märtyrern benannt, die im 17. Jahrhundert ihr Leben für die Verbreitung des Evangeliums hingaben.

Sonntag, 11. Juli 2010

Unfair!


Im Vorfeld der WM hatte die spanische Mannschaft ein Trainingslager im österreichischen Schruns absolviert. Zum Abschied bekamen die Mitglieder des Teams vom nahegelegenen Kloster Gauenstein jeweils eine Wundertätige Medaille geschenkt. Sogar die Wirtin des Hotels soll zur Gottesmutter von Gauenstein um den Sieg der spanischen Mannschaft gebetet haben.

Nun ist alles klar! Die deutsche Mannschaft konnte gar nicht gewinnen.

Jedenfalls bestätigt dieser Vorfall meine Theorie, die sich immer mehr zur Gewißheit verdichtet, daß ER seine Hand im (Fußballspiel)Spiel hatte.  

Pater Filucius: culture wars revisited

Wilhelm Buschs "Pater Filucius" habe ich auf diesem Blog schön häufiger thematisiert. Mir schien das (Mach)werk bislang als besonders primitive Variante antikatholischer Hetze des 19. Jahrhunderts. Aber dieses Comic hat mehr zu bieten, ist vielmehr eine höchst subtile und lehrreiche Darstellung des Kulturkampfes des 19. Jahrhunderts. Wer sich dieses Bilderwerk genauer ansieht, wird den Kulturkampf dieser Tag besser verstehen können. Und vielleicht die eine oder andere Fehleinschätzung vermeiden, etwa die, daß die Kampflinie zwischen Katholiken und Protestanten verliefe. Sie verläuft ganz anders, wie wir bei Busch lernen können. Das Titelbild ist natürlich Gottlieb Michael, nicht besonders subtil, doch am Vornamen läßt sich ablesen, daß der deutsche Michel keineswegs ein Atheist ist.
Daß die Namen der beiden Tanten Michaels eine Bedeutung haben (Petrine: katholische Kirche, Pauline: konservativer Protestantismus) habe ich erst vor kurzem verstanden. Eigentlich auch nicht so schwer zu verstehen, angesichts des protestantischen Pastorenbäffchens von Pauline. Daß beide letztlich Leidtragende des Kulturkampfes waren, haben die konservativen Protestanten des 19. Jahrhunderts leider etwas spät begriffen. Beide verloren die Schulaufsicht über ihre konfessionellen Schulen, beide betraf der Kanzelparagraph. Sinnenfroh und lustig die katholische, verhärmt und freudlos die protestantische Tante, ein Späßken, daß mich doch irgendwie amüsiert.
Hübsch gestaltet, klug gelehrig, Base Angelika ist das Sinnbild der "aufgeklärten" Staatskirche.
Pater Filucius, der Jesuiter. Daß Busch dem Jesuiten eine "jüdische" Physignomie andichtet, ist keinesfalls Zufall. Obwohl das liberale Judentum auf Seiten der liberalen Kulturkämpfer stand, waren die Jesuitenfresser der Zeit der festen Überzeugung, daß die überwiegende Mehrheit der Jesuiten jüdischer Herkunft war.
Daß sich unter der zölibatären Maske der Vergewaltiger verbirgt, gehörte auch im 19. Jahrhundert zu den Standards der antikatholischen Agitation.
Schrupp, das Flohmutterschiff. Seuchen, Ungeziefer und Infektion als Begleiterscheinung des Katholizismus war das Thema des liberalen Abgeordneten Herrn Virchow. Die oberschlesische Typhusepidemie war für den Pathologen unmittelbar zurückzuführen auf die durch die katholische Religion verursachte kulturelle Unterlegenheit der polnischsprachigen oberschlesischen Bevölkerung.
Ach, die weltlichen Gewalten! -
Durch des Armes Muskelkraft
Wird der fromme Pater Luzi
Wirbelartig fortgeschafft.
1872 - dem Erscheinungsjahr des "Pater Filucius" verabschiedete der von Liberalen beherrschte und von Bismarck beeinflußte Reichstag das Verbot des Jesuitenordens, daß bis 1917 in Kraft blieb.
Pater Filucius Bündnispartner Inter-Nazi (Sozialisten) und Jean Lecaq. Der französische Erbfeind war bis zur Niederlage im deutsch-französischen Krieg Schutzmacht des Vatikanstaates. Die Niederlage hatte unmittelbar die Eroberung des Vatikanstaates durch italienische Truppen zur Folge.
Wehr-, Lehr- und Nährstand auf dem Kriegspfad. Die weiteren häßlichen Szenen sparen wir uns. Doch das vorletzte Bild ist einfach ein Traum.
Ein Traum, wie ihn Daniel Deckers immer wieder träumt. Die aufgeklärte Staatskirche (die übrigens keineswegs deutliche protestantische Attribute zeigt) blickt devot und züchtig zu Boden. Keine widerspenstigen Lutheraner, keine ultramontanen Katholiken. Die Kirche als Hausfrau in einem Haushalt, in der der Mann (Staat) die Hosen anhat. (Michael hat sich in der Geschichte übrigens einen Antrag gleich gespart.) Glaube als reines "forum internum", häuslich, privat, feminin.

Samstag, 10. Juli 2010

Welcome to GATTACA Mrs. Schroder!


Mit geradezu affenartiger Geschwindigkeit haben sich die politischen Formationen nach dem BGH-Urteil in Sachen PID gebildet. Allen voran die politische Enttäuschung des Jahres, "Familienministerin" Mrs. Schroder geb. Köhler. Nomen scheint offenbar doch omen zu sein.
Für mich wäre es beispielsweise ein Widerspruch, einem Paar die Präimplantationsdiagnostik zu verbieten, Spätabtreibungen aber bis zum 9. Monat unter bestimmten Umständen zuzulassen.
Wie die politische Debatte, die Mrs. Schroder fordert, ausgehen wird, jedenfalls welche Position Mrs. Schroder einnehmen wird, ist nicht schwer zu prognostizieren. Keinesfalls dürfen wir erwarten, daß sich Mrs. Schroder für das Verbot eugenisch (ja,ja ich weiß, offiziell heißt es medizynisch-sozial, bin ja Jurist) begründeter Spätabtreibungen einzusetzen. Schon heute dürfen ja Kinder bei denen z.B. eine Hasenscharte oder ein Down-Syndrom zu erwarten ist, auch noch nach der 12. Woche abgetrieben werden. Mit welcher Verve sich unsere (meine) CDU für das Verbot der Spätabtreibungen eingesetzt hat, haben wir ja in der letzten Legislaturperiode erlebt. Und wer glaubt, daß sich die liberale Justizministerin etwa für das Verbot von Spätabtreibungen einsetzen wird, der glaubt auch, daß Zitronenfalter Zitronen falten.

Ich meinerseits verwette meine Juristenkutte, daß genau dies nicht passieren wird.

Auch die anderen üblichen Verdächtigen, etwa unsere herzallerliebste Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger, haben sich ja schon geäußert.
Ich nehme zwar die Befürchtungen ernst, die etwa von Behindertenverbänden in diesem Zusammenhang geäußert werden. Aber ich bin mir sicher: Die Entwicklung, die da manche befürchten, wird es nicht gehen und ist durch das Urteil nicht indiziert.
Noch einmal: in den drei Fällen, die der BGH zu beurteilen hatte, ging es um das Down-Syndrom. Schätzungen von Behindertenorganisationen gehen davon aus, daß 85% aller Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben werden. Die behindertenfreie Gesellschaft, entwickelt sich nicht erst, sie ist bereits bittere Realität. Nur daß sich heute ja immerhin noch wenige tapfere Eltern dafür entscheiden, eine krankes Kind nicht abzutreiben. Werden sie auch, wenn es nur um die Nicht-Nidation eines unsichtbaren Embryos geht, noch ebenso entscheiden? Eher nicht, die Hemmschwelle ist niedriger. Die Down-Syndrom-Verhütungsrate wird vielmehr auf hundert Prozent schnellen. Warum also lügen, Frau Minister?

Frau Forschungsministerin Schavan "hält sich zurück" und will erst den Ethikrat befragen. Die qualvolle Arbeit des langen, langen Prozeßes der Gewissensbildung der Frau Ministerin konnten wir ja in Sachen Embryonenschutz schon einmal - mitleidend - mitverfolgen. Das Ergebnis kennen wir allerdings heute schon. Ein unendlich gequältes "Ja". Meine Kutte hab ich ja schon verwettet, sorry.

Die Haltung des Bundestages in Lebensschutzfragen ist bekannt. In Sachen Patientenverfügung und Verbrauch von Embryonen für die Forschung gab es eine zwar nicht satte, aber ausreichende Mehrheit - gegen den Lebensschutz.

Welcome to GATTACA, Mrs. Schroder.

Seltsam, daß in dieser Frage drei kinderlose Karrierefrauen an den Schaltstellen der Macht sitzen, bemerkenswert, daß alle drei in dieser Frage ähnliche Positionen vertreten. Ebenso bemerkenswert, daß sie in ihrer Person gewissermaßen die drei Parteien vertreten, die im 19 Jahrhundert die drei wichtigsten Kräfte des antikatholischen Kulturkampfes darstellten. Schröder als Repräsentatin eines liberalen, zeitgeistigen Protestantismus, Schavan als Repräsentantin des liberalen Katholizismus, Leutheusser-Schnarrenberger als Gallionsfigur einer antikatholischen in ihrer Mehrheit agnostisch-atheistischen Kampforganisation. 

Nun bloggt er wieder, Gott sei Dank


Alipius hat seinen Abschiedsschmerz überwunden und ist unter die Blogozöseaner (oder sagt man Blogozesen, vielleicht ja auch Blogzinesen oder etwa Blogozisten?) zurückgekehrt.

Dafür das schönste Francois-Boucher-Engelbildchen, das ich finden konnte.

Freitag, 9. Juli 2010

Der Weg nach GATTACA



In diesen Tagen sollte man sich den Film GATTACA ansehen. Nur um zu wissen, was uns erwartet, um zu wissen, was auf uns zukommt, und nicht zuletzt um zu wissen, warum diese Zukunft vor uns steht. Bis jetzt scheint es nicht so, als könnte wir das Verhängnis vermeiden. Die beiden Entscheidungen des obersten deutschen Strafgerichts zu "Sterbehilfe" und zur Selektion "dysgenischer" Embryonen zeigen nur den Stand an, auf dem wir bereits stehen. § 1901a erlaubt die Beendigung einer lebenserhaltenden ärztlichen Maßnahme aufgrund eines bloß "mutmaßlichen" Willens des Erkrankten. Die Regelung ist lebensgefährlich, wie uns der BGH nun gezeigt hat.

Das Embryonenschutzgesetz - so die weitere Entscheidung des BGH - bietet ausdrücklich keinen Schutz gegen die Selektion "dysgenischer" Embryonen, auch wenn die politische und bedauerlicherweise auch die "geistliche" Klasse nun auf den BGH eindrischt, als habe dieser einen bisher angeblich bestehenden Rechtskonsens gebrochen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß sowohl ein vor dem strafgerichtlichen Verfahren eingeholtes Rechtsgutachen, wie auch das Gericht erster Instanz, wie auch Verteidigung und Anklage zweiter Instanz, wie auch das letztinstanzliche Gericht die Rechtsauffassung teilten, daß weder die grammatische, noch die historische, noch die systematische Auslegung des Gesetzes eine Verurteilung wegen der Selektion dysgenischer Embryonen begründen konnten. Der teleologische "Schlenker", den sich der BGH erlaubt, indem er über einen mutmaßlichen teleologischen Willen eines imaginären Gesetzgebers philosophiert erlaubt zwar einen tiefen Blick in die dunkle Seele der zur Entscheidung berufenen Richter, macht aber die eigentliche Begründung des Urteils nicht unzutreffend.

Halten wir fest: die aktuelle Regelung des § 218 a II StGB erlaubt unter dem Titel der "schwerwiegenden" Beeinträchtigung der Schwangeren eine Abtreibung behinderter Kinder über die 12. Woche hinaus. Die angeblich abgeschaffte "eugenische" Indikation kehrt unter irreführenden Titeln und aufgrund ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens, der sich in der Gesetzesbegründung findet, wieder, und wurde sogar noch verschärft.

Da dies so ist, spricht sich nun der BGH für die "humanere" Variante der Tötung genetisch "mißratener" Embryonen unmittelbar nach der Befruchtung aus. Welche "schwerwiegenden" Behinderungen damit gemeint sind, läßt sich an den Einzelfällen ablesen. Es ging in den drei durch den BGH entschiedenen Fällen um Kinder mit "Down-Syndrom" eine schwere, doch für viele Eltern, die mit Trisomie-Kindern leben, keineswegs "unerträgliche" Behinderung. In der europäischen Rechtspraxis ist mittlerweile selbst die Spätabtreibung von Kindern mit Hasenscharte legal. Wer sagt uns, was eine "schwerwiegende" Behinderung ist? Im United Kingdom, daß schon seit längerem die PID beläuft sich die Zahl der Indikationen inzwischen auf 130 "schwerwiegender" Erbkrankheiten.

Was vor allem bedeutet diese Praxis für die Behinderten selbst und deren Eltern? Wie oft müssen sich solche Eltern anhören, daß die Behinderung ihres Kindes doch "vermeidbar" gewesen ist. Was hat dies für Folgen für die Hilfsbereitschaft der Gesellschaft? Werden nicht sehr bald die "vermeidbar" Behinderten als Schmarotzer dastehen, da ihre für die Gesellschaft möglicherweise kostspielige Behinderung doch "vermeidbar" gewesen ist.

Der Film GATTACA hat eine tiefreligiöse Botschaft. Die Mutter des Helden ist, was der Film durch einen Rosenkranz in den Händen der Gebärenden andeutet, gläubige Christin. Ihrem Kind werden schon unmittelbar nach der Geburt seine Sündenregister in Gestalt seiner negativen genetischen Ausstattung vorgelesen. Gotteskinder heißen die Kinder, die Frucht der liebenden Vereinigung ihrer Eltern waren, und nicht normierte Produkte der Retorte.


P.S.  In diesem Zusammenhang ist eine Ehrenrettung fällig. Die Bündnisgrünen plädierten schon vor vielen Jahren für eine Regelung der Materie in einem Fortpflanzungsmedizingesetz. Die ehemalige Gesundheitsministerin (und westfälische Katholikin) Andrea Fischer ließ  einen Gesetzesentwurf erarbeiten. Das Projekt wurde von einer fortschrittsbesoffenen Politikerriege in die Schublade befördert. Nun sitzen in den Schlüsselministerien Gesundheit und Justiz ausgerechnet Liberale. Von der in den kulturkämpferischen Traditionen und dem Fortschrittsoptimismus des 19 Jahrhundert gefangenen Justizministerin (Mitglied einer antikatholischen Kampforganisation) ist wohl kaum ein Entwurf zu erwarten. Daß die Nachfolgeorganisation des katholischen Zentrums - die CDU- nun ausgerechnet mit der Nachfolgeorganisation  ihrer einstmaligen Verfolger - der preußischen Links- und Nationalliberalen - in einem Kabinett sitzt, wirkt aus dieser Perspektive gar nicht "natürlich".

Donnerstag, 8. Juli 2010

Jogi! Der Kampf geht weiter!


Naja, manchmal fällt man eben in alte Verhaltensweisen zurück. Schade wegen dem 0:1.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Erstkommunion in Indien


Lese gerade in Manuel Boruttas Doktorarbeit über "Antikatholizismus". Mehrfach variiert Borutta das Thema "weibliche Kirche" - als zentralem Motto der antikatholischen Agitation.

Auch wenn ich ja nun ganz und gar nicht antikatholisch gestrickt bin, irgendwie ist doch was dran an der "weiblichen" Kirche, oder? Dieses Bild stammt von der neuen, wie gewohnt ausgezeichnet gestalteten indischen Homepage meines Lieblingsordens.

Bloody Maggie und der BGH


Margaret Sanger, die wahrscheinlich bedeutendste Vorkämpferin des "New Moral Code" wäre von diesem Urteil des Deutschen BGH sicher begeistert gewesen.
Die Präimplantationsdiagnostik zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden des extrakorporal erzeugten Embryos ist nicht strafbar
lautet die Überschrift der Presseerklärung. Für Juristen ist die eigentliche Begründung dieses Urteils - bisher ist nur die Presseerklärung bekannt - eher uninteressant. Schon der Vorinstanz war aufgefallen, daß das deutsche Embryonenschutzgesetz die erst verhältnismäßig moderne Methode der Präimplantationsdiagnose nicht verbietet. Gar nicht verbieten konnte, denn sie war zum Zeitpunkt der Verabschiedung des ESchG noch unbekannt. Und so benötigt der BGH auch nur wenige Sätze, um zu begründen, daß in dem hier zu entscheidenden Fall eines der ehernen Grundgesetze der Strafrechtsgebung anzuwenden sei. Nulla poena sine lege. Keine Strafe ohne Gesetz. Nicht einfach nur eine Norm der Strafprozeßordnung, sondern der Verfassung (Art. 103 Abs. II GG). Freispruch.

Ein Fortpflanzungsmediziner hatte drei Paare beraten, bei denen jeweils ein Partner eine genetische Belastung aufwies. Das Risiko, ein behindertes Kind zu zeugen, war in allen drei Fällen hoch. Sie baten daher den Mediziner, vor Einsetzung der im Reagenzglas erzeugten Embryonen jeweils zu untersuchen, ob die Embryonen genetische Merkmale der jeweiligen Erbkrankheit aufwiesen. Der Mediziner holte ein Rechtsgutachten ein, ob diese Verfahrensweise rechtlich bedenklich sei und führte, nachdem dieses Gutachten in seinem Sinne ausfiel, die PID durch. Die genetisch belasteten Embryonen wurden getötet.

Anschließend zeigte sich der Herr Mediziner bei der Staatsanwaltschaft an, die ihn wiederum anklagte. Mit einem Ergebnis, daß, wie gesagt, für Juristen keine wirkliche Überraschung ist.

Doch der BGH hat es nicht bei dem dürren Hinweis auf die Ungeeignetheit des ESchG für die Strafverfolgung der PID belassen.
Ein strafbewehrtes Gebot, Embryonen auch bei genetischen Belastungen der Eltern ohne Untersuchung zu übertragen, birgt hohe Risiken in sich; vor allem ist zu besorgen, dass sich die Schwangere im weiteren Verlauf nach einer ärztlicherseits angezeigten und mit denselben Diagnosemethoden durchgeführten Pränataldiagnostik, hinsichtlich derer eine ärztliche Aufklärungspflicht besteht, für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet. Die PID ist geeignet, solch schwerwiegende Gefahren zu vermindern. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sie verboten hätte, wenn sie bei Erlaß des Embryonenschutzgesetzes schon zur Verfügung gestanden hätte.
Hier bekommen wir "lange Zähne". Denn der BGH phantasiert sich an die Stelle des Gesetzgebers und mutmaßt, wie dieser denn wohl entschieden hätte, wäre diesem die Methode der PID schon bekannt gewesen. Eine kaum verhüllte richterliche Kompetenzüberschreitung. Inkonsequent ist sie allerdings nicht, denn wenn der Gesetzgeber eine Abtreibung aus eugenischen Gründen selbst bis kurz vor der Geburt zuläßt, dann erscheint die Selektion "dysgenischer" Individuen vor ihrer Einpflanzung in die Gebärmutter noch als das kleinere Übel.

Um die Sache noch sicherer zu machen, weist der BGHvöllig zu Recht darauf hin, daß schon jetzt das ESchG in § 3 Satz 2 eine Selektion zum Zweck der Vermeidung "erbkranken Nachwuchses" zuläßt.

Selten sind die eugenischen Wurzeln der modernen Fortpflanzungsmedizin deutlicher geworden. Daß das zweithöchste deutsche Gericht da auch noch Beifall spendet, läßt mich zusammenzucken. Wo bitte gehts nicht nach GATTACA? Denn der BGH hat die Mentalität des deutschen Gesetzgebers wohl ganz richtig eingeschätzt. Mit diesem und seinem Sterbehilfeurteil hat der BGH jedenfalls das Leben an seinem Anfang und seinem Ende eindeutig unsicherer gemacht. Und der Gesetzgeber wird ihm folgen.

Unsere Justizministerin ist schon kräftig am Jubeln.

Summertime


Keine Zeit. Muß mich um Enkelkinder kümmern, essen kochen, langweilige Kinderfilme mitkucken, aberwitzige Bauklotztürme bauen, Baby schaukeln, den Turnbaum machen, am Strand sitzen, plantschen etc.

Freitag, 2. Juli 2010

Ritter Wesley ./. Brasilien 2:1



War mir ja schon vollkommen klar, daß es einfach so kommen mußte. Ritter Wesley, das Bild seiner Liebsten im Herzen, und ganz bestimmt ihr Strumpfband um dem Oberarm geknotet  (unter dem Trikot natürlich) zieht furchtlos in den Kampf gegen den Drachen (sprich Brasilien) und siegt!!!

Jaaaa! Holland gegen Brasilien 2:1.

Seiner Herzallerliebsten zuliebe ist er, was ganz bestimmt den letztlich entscheidenden Beitrag zum Sieg bedeutete, zum katholischen Glauben übergetreten.