Dienstag, 23. Februar 2010

Quatember, eine Verlustanzeige.

Die Farbe Violett nahm im "alten" Kirchenjahr vor der Kalenderreform der 60er Jahre noch einen weit größeren Raum ein, als in der nachkonziliaren Zeit. Nicht nur während Fastenzeit und Advent, sondern auch während der dreiwöchigen Vorfastenzeit, und an den Quatembertagen.

Quatember? Daß es so was überhaupt gibt, ist mir, ehrlich gesagt erst sehr sehr spät aufgefallen. Erst, als mir ein "richtiger" Schott in die Hände fiel (ich meine den "vorkonziliaren", der ja auch noch Texte von Anselm Schott enthielt, und der nicht zum bloßen Markennamen-Schott verkommen ist).

Also Quatember (im englischen noch kürzer, nämlich "Ember"), so habe ich gelernt, leitet sich aus der korrekten lateinischen Bezeichnung jejunia quattuor temporum, also Fasten der vier Jahreszeiten ab. Und so sind denn die Quatembertage auch auf die vier Jahreszeiten verteilt, jedenfalls die vier kirchlichen Jahreszeiten, die so in etwa den metereologischen Jahreszeiten entsprechen.

Die Popularität der Quatember läßt sich daran ablesen, daß es in allen Sprachen hübsche Merkverse für die zeitliche Lage der Quatembertage gibt. Im Deutschen etwa: "Nach Aschermittwoch, Pfingsten, Kreuz (Kreuzerhöhung 14, September), Luzei (Lucia, 13 Dezember), merk dir dass Quatember sei". Oder auf englisch: "Lucy, ashes, dove and cross".

Kirchengeschichtlich gesehen, ist das Quatemberfasten typisch römisch-katholisch, der Ostkirche ist diese Tradition unbekannt. Dennoch läßt sich diese Fastentradition auf vor- und frühchristliche Traditionen zurückführen. Das gilt vor allem für die Verteilung der Fastentage auf Mittwoch, Freitag und Samstag. Das Fasten an zwei Wochentagen, Dienstag und Donnerstag, entspricht jüdischer Tradition. Die frühen Christen verlagerten diese beiden Fasttage auf Mittwoch, zum Gedenken an den Tag, an dem Christus verraten wurde, und Freitag, den Tag der Kreuzigung des Herrn (vgl. 8.1. der Didache). Das Quatemberfasten läßt sich nun für Rom schon auf die Zeit der Päpste der ersten 5 Jahrhunderte zurückverfolgen. Die "legenda aurea" nennt den Märtyrerpapst Calixtus (217 - 222) als den Papst, der das Quatemberfasten als erster anordnete.

Nachdem der Mittwoch als allgemeiner Fastentag abgeschafft wurde - von den Orden abgesehen -, und nur noch der Freitag als Abstinenztag blieb, sind die Quatembertage damit die einzige Zeit des Kirchenjahres, in der diese alte Tradition der frühen Christen geübt wird.
Oder besser wurde. In Folge des II. Vatikanischen Konzils hob Paul VI die Quatember zwar nicht auf, überließ jedoch die Regelung den nationalen Bischofskonferenzen, die dann das Quatemberfasten schlicht aufhoben (wie in den USA) oder (wie in Deutschland) zeitlich verschob. Auch wenn es für die Quatember in Deutschland nach wie vor Meßformulare gibt, besiegelte diese Reform das Ende einer liturgischen Tradition, die sich bis in das 3. Jahrhundert zurückverfolgen läßt.

Die Quatembertage endeten mit einer Vigil, die sich unter anderem durch sieben Lesungen auszeichnete. Sieben deshalb, weil nach alter Tradition in der Samstagsvigil der Quatember Weihen stattfanden. Da die vorkonziliare Kirche sieben Weihegrade kannte (Ostiarius (Türsteher), Lektor, Exorzist, Akoluth (Helfer), Subdiakon, Diakon und Priester) wurden dann nach jeder Lesung die Kandidaten für den jeweiligen Weihegrad geweiht. Womit wir bei der nächsten Verlustmeldung wären. Die "niederen Weihen", wie auch der Subdiakon sind so nicht mehr existent. Und von Türstehern, die etwa darüber zu wachen hatten, daß kein Ungetaufter und kein Büßer an der Eucharistie teilnahm, mag man ja gar nichts mehr hören. Aus den Märtyrerlisten der ersten Jahrhunderte wissen wir aber, daß unter den heiligen Märtyrern so mancher Ostiarius oder Exorzist war.

Bei Stanislaus lese ich, daß ab und zu doch noch mal jemand ein Quatemberamt feiert. Bei NLM findet sich ein interessanter Artikel über die Lesungen des Quatemberamtes, und wer sich noch weiter informieren will, unter anderem über frühkirchliche Texte, die sich mit den Quatembertagen befassen, kann bei den Fischfressern nachlesen.

2 Kommentare:

Katholik hat gesagt…

Danke für die Verlustanzeige.
Gerade gestern Abend habe ich im "richtigen" Schott über die Quatembertage gelesen. Dabei wurde mir richtig wehmütig ums Herz. Was haben wir nicht an wundervollen Schätzen verloren! Meine Güte, es ist kaum zu fassen, wie runtergekommen wir liturgisch sind. Ich meine, nicht dass ich den Novus Ordo nicht gerne hätte und würdig feiern möchte, aber im Vergleich zu dem Alten...

Ich will mir deinen "Verlustanzeige" zum Ansporn nehmen, selber öfter über die Alte Liturgie zu posten.

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Ganz, ganz herzlichen Dank für den Einblick!
Ich werde mir meinen echten Schott auch noch mal zur Abendlektüre nehmen.
Ich bin immer mehr darüber erstaunt, was man alles so ausgetilgt hat.
Wir haben nicht nur Schätze verloren, es sind uns wichtige Bezüge zur alten Kirche abgeschnitten worden. Wir sind ganzer Welten beraubt worden!!!
Je länger, je mehr frage ich mich bei jedem Detail, daß ich für mich entdecke, wie man so etwas aufgeben kann.
Mir wir diese Generation in unserer Kirche immer fremder und suspekter.
Wieviel ist denn sonst noch alles mal eben abgeschafft, vergessen, verschlampt worden?
Ich erahne langsam die Ausmaße des Zerstörungswerkes und mir wird etwas schwindelig...