Samstag, 21. November 2009

Fest Mariä Opferung 21, November

  Ganz aus dem Kalender ist das heutige Fest Mariä Opferung nicht verschwunden. Es heißt aber nun offiziell verwaschen-nebulös "Gedenktag unserer lieben Frau in Jerusalem". Nicht ganz falsch, wird das Fest doch nachweisbar seit dem 6. Jahrhundert als Weihefest einer Maria geweihten Kirche bei Jerusalem begangen. Im manchmal leicht manchmal deftig ikonoklastisch gefärbten Neo-Schott heißt es dann abwertend, daß der Bericht über die Darbringung (Darstellung) Marias im Tempel auf das apokryphe (der Neo-Schott meint "unechte") Protevangelium des Jakobus zurückgehe, deshalb ein historischer Gehalt nicht anzunehmen sei. Den Neo-Schottianer sei zunächst einmal ins Stammbuch geschrieben, daß apokryph nicht mit "unecht" zu übersetzen ist, sondern mit "verborgen".
   Über den Wahrheitsgehalt eines apokryphen Textes ist mit diesem Adjektiv nun gar nichts ausgesagt. Schreiberlinge der 60er Jahre des 20. Jahrhundert sollten bei der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes eines Textes der jedenfalls 1800 Jahre älter als der wabblige, weichliche, weißliche Neo-Schott in jedem Fall bissel vorsichtiger sein. Etwa um 160 nach Christus dürfte das Prot-Evangelium des Jakobus entstanden sein.
   Auch wenn das Prot-Evangelium wegen seiner bei der Festlegung des Kanon wohl bekannten relativen Jugend nicht in den Kanon aufgenommen wurde, ist seine Bedeutung kaum zu überschätzen. Dieser Text berichtet erstmals den Namen der Mutter Mariens, Anna, er  bestätigt erstmals und schon zu einem Zeitpunkt, zu dem wohl noch zumindest Enkel der Augenzeugen der Heilsgeschichte lebten, das älteste Mariendogma, nach dem Maria ante partum, peri partum und post partum Jungfrau war und blieb. Für die Kunstgeschichte bedeutend ist das Detail, das Jesus Christus in einer Höhle geboren wurde. Kaum ein nicht-kanonischer text hat wohl über mehr als ein Jahrtausend eine solche Wirkung erzielt, wie das Protevangelium des Jakobus.
   Den Wackelpuddingkatholiken der 60er Jahre war das wohl alles furchtbar peinlich, so daß man das über mehr als ein Jahrtausend alte Fest, das in der Ostkirche zu den 12 großen Festen gehört, zu einem bloßen Gedenktag degradierte, und den ursprünglichen Titel hinter einem völlig aussagelosen Text verbarg.

  In den meisten Darstellungen sieht die dreijährige Maria schon eher einem Teenager ähnlich. Tizian stellt sie als kleines Kind mit Ganzkörperaureole und blonden Löckchen dar. Reizend, wenn auch ein ganz kleines bißchen daneben.

4 Kommentare:

Lumen Cordium hat gesagt…

Interessant - aber, was ist ein Neo-Schott?

Gregor hat gesagt…

Vielen Dank, das mußte einmal gesagt werden. Und "Schreiberlinge der 60er Jahre des 20. Jahrhundert sollten bei der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes eines Textes der jedenfalls 1800 Jahre älter als der wabblige, weichliche, weißliche Neo-Schott in jedem Fall bissel vorsichtiger sein" - herrlich.

Ein bißchen überrascht hat mich die Version "Protevangelium" - ich kannte eigentlich nur Protoevangelium.

Conservare: Neo-Schott ist der Schott zum Novus Ordo, gegenüber dem "alten Schott" zur "alten Messe" (sind natürlich alles keine offiziellen Begriffe).

Johannes hat gesagt…

Prot von prota, griechisch, die ersten Dinge. Die Schreibweise Prot-Evangelium ist glaube ich die gängigere. (so etwa bei Berger, Klaus, das Neue Testament und frühchristliche Schriften ein Standardwerk, sehr verdienstvoll.

Lumen Cordium hat gesagt…

@Gregor
gut, danke für die Aufklärung.

Dann habe ich den "alten Schott"... bin glücklich damit.