Mittwoch, 25. November 2009

Mit Satan und seinen Engeln hatten wir nicht gerechnet

   Andreas Baader, Astrid Proll, Monika Haas, Hans Joachim Klein, Johannes Weinrich, Wilfried (Bonifatius) Böse. Sechs Personen aus der RAF oder der RZ waren mir gut bekannt oder besonders nahe. Ich kannte Ihre Denke, wußte, mit welchen Argumenten sie die zunehmend brutaler werdenden Aktionen der RAF und der RZ legitimierten, welche Vorstellungen sie von der Welt und dem Land, in dem sie lebten, hatten. Zeitweise habe ich diese Ideen geteilt.
   Der Film, der vor wenigen Tagen im Ersten Programm lief, "Der Baader-Meinhof-Komplex" ist wenigstens insoweit sehenswert, als er die wachsende Brutalität der RAF in eindringlichen Bildern schildert. Aber der Film verfällt selbst der Logik des Terrorismus, ebenso wie die Diskutanten, um Anne Will, die sich am Sonntagabend um Aufklärung mühten. 
   Der Film versucht, Erklärungen zu finden, und findet sie scheinbar in der Brutalität des Vietnam-Krieges, in der wüsten Prügelorgie des 2.Juni 1967. Vor allem die Prügelszenen der Anti-Schah-Demonstration im Film sind völlig überzeichnet. Und daß der Mord an Benno Ohnesorge - ja richtig, Mord, denn Ohnesorg wurde von hinten, also im Sinne des § 211 Abs. II 2. Alt. heimtückisch ermordet - von einem Stasi-Spitzel begangen worden war, war zum Zeitpunkt der Herstellung des Filmes ja unbekannt. So produziert der Film, der aus dem 2. Juni die Morde der RAF erklären will, unfreiwillig das Dementi der Theorie, daß sich die Gewalt der RAF aus der Gewalt der Gesellschaft erklärt, die die RAF bekämpfte. Denn die Gewalt, der Ohnesorge zum Opfer fiel, war nicht die Gewalt des Schweinesystems, sondern die Gewalt des Systems, das sich die RAF zum Bündnispartner machte.
   Richtig, die DDR war für die Aktivisten der RAF sicheres Hinterland. Die Chefpropagandistin der RAF, Ulrike Meinhof, war Mitglied der verbotenen KPD, eine Kommunistin, die das "System" der Bundesrepublik Deutschland, stürzen wollte. Die RAF-Stasi-Konnektion ist nach dem Sturz des DDR-Systems intensiv untersucht worden.
   Aber zurück zum Film und anschließender Diskussion. Makaber, aber folgerichtig, daß der Teilnehmer der Diskussion, der am besten wissen mußte, was wirklich geschehen war, der ehemalige Terorist Peter Jürgen Book nicht versuchte, die Verbrechen der RAf zu erklären. Bizarr, aber ebenso folgerichtig, daß der ehemalige Innenminister Baum, sich in der selben Diskussion als Terroristenversteher profiliert.
   Nichts kann die RAF erklären. Nichts kann den Massenselbstmord der Gefangenen in Stammheim erklären. Die wissenschaftlichen Erklärungsversuche der Soziologen, Politologen und Psychologen gehen sämtlich in die Irre. Das Böse braucht keine Begründung. Die Liturgie Satans folgt keiner Logik. Das blutige Drama des Deutschen Herbstes hat keinen Sinn.
   Vielleicht wäre es gelungen, die Flammen schneller auszutreten, hätten die Analysten, Politiker und Kriminalisten früher - oder überhaupt - verstanden, daß sie es hier mit dem Bösen zu tun haben. Mit den Jüngern des "Satans der Revolte", wie ein naiver Biograph einmal Michail Bakunin, den Urvater alles Anarchisten, nannte. Ja, mit Satan und seinen Engeln hatten wir nicht gerechnet, die wir unseren diabolischen Helden zujubelten. Aber auch die Gegner hatten ihn nicht auf dem Plan.

1 Kommentar:

Elsa Laska hat gesagt…

Du brauchst da nichtmal Satan zu bemühen. Selbst in meinen linksautonomsten Phasen habe ich die RAFler verachtet. Ich habe die Leute verachtet, die sie glorifizierten, von denen gab es und gibt es ja immer noch genug.
Warum?
Weil sie in einer bestimmten Phase ihres Werdegangs Kaufhausbomben legten oder drohten, Kaufhäuser in Brand zu stecken. Meine Mamma jobbte damals, ich war vielleicht 8, 9 Jahre alt, in einem Kaufhaus als Verkäuferin. Dafür habe ich die RAF verachtet und als Kind auch gehasst. So einfach kann es sein, ideologische Hirnfickereien ad absurdum zu führen. Wenns um das Leben deiner Mamma geht und du ein kleines Kind bist.
Ich kann Bubacks Sohn verdammt gut verstehen. Wenn da ein Mensch abgeschlachtet wird, weil er eine bestimmte Funktion innehat, ob nun Kaufhausverkäuferin oder Bundesstaatsanwalt, das ist mir doch als Angehöriger wirklich scheißegal, denn für mich ist er ja mein Angehöriger - in erster Linie ein MENSCH, und nicht seine Funktion. Das haben diese Typen nie kapiert. Aber natürlich wollten SIE selbst dann dringend menschlich behandelt werden, klaro.
Schön, wenn du für sie beten kannst. Vielleicht lerne ich es ja auch noch.