Dienstag, 10. November 2009

Kruzifix und Kulturkampf

  Eigentlich sieht sie doch ganz nett aus, die Ayşe. Aber gleichzeitig ist Prof. Dr. Ayşe Işil Karakas ein Symbol für die Verkommenheit der sogenannten europäischen Idee. Ayşe hat das berühmt berüchtigte Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mitverbrochen. 
   Eine türkische Richterin, von der man annehmen darf, daß sie den militanten - und verlogenen -türkischen Laizismus mit der Muttermilch ihrer alma mater eingesogen hat, urteilt darüber, ob in italienischen Schulen Kruzifixe hängen dürfen? Eine absurde Idee. Doch diese Idee ist die Idee des Europarates und seines Gerichtes, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser ist nämlich keine Institution der EU, sondern des Europarates. 
   Der Europarat in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung ist nun aber ein augenfälliges Beispiel dafür, was geschieht, wenn man die europäische Idee überdehnt. Wer weiß denn schon, daß der EGMR mit "Europäischer" Gerichtshof nur höchst unzureichend beschrieben ist. Zählt etwa Aserbeidschan, zählen die Türkei, Armenien, Georgien, Moldawien, die Ukraine, die Russische Föderation zu Europa? Gehört Sibirien, Kleinasien, der Kaukasus zum Europäischen Kontinent? Das hab ich in der Schule anders gelernt. Aber diese Länder gehören zum Europarat. 
   In der heutigen Zusammensetzungen stellen ehemalige Mitgliedsstaaten der UdSSR und des Warschauer Paktes nahezu die Hälfte der Mitgliedsländer. Länder also, in denen der militante Atheismus noch immer nachwirkt. Gemeinsam mit dem Land Türkei, dessen demokratische Reputation nicht übermäßig hoch ist, versammelt sich da ein Parlament als "Hüterin der Menschenrechte" dessen Mitglieder zu fast der Hälfte in Sachen "Menschenrechte und Demokratie" allenfalls Lehrlingsstatus besitzen.
   Wer also diesem Gerichtshof zujubelt - was so manche laizistische Dumpfbacke in Sachen Kruzifix-Urteil ja auch tut - sollte sich zuerst mit der Frage beschäftigen, wer denn hier über wen zu Gericht sitzt. Wenn schon über das Legitimitätsdefizit der Europäischen Union politisch und auch höchstrichterlich räsoniert wird, das Legitimitätsdefizit des Europarats ist noch bedeutend größer.
   Mich hat als Juristen die Rechtsprechung des EGMR zum Euroskeptiker werden lassen. Viele seiner Entscheidungen  folgen keiner seriösen Methode der Gesetzesinterpretation mehr, sondern zeitgeistiger Beliebigkeit. Die methodischen Schwächen der Arbeit der Mehrheit so mancher Kammer sind von einzelnen - aufrechten - Richtern des EGMR schon häufig genug kritisiert worden. Die methodisch halsbrecherischen Urteil nehmen zu, je weiter das Einzugsfeld des Rates wird. Die baldige Aufnahme Weißrußlands wird die Qualität der Arbeit gewißlich noch deutlich steigern.
   Doch andererseits sind die Parlamentarische Versammlung des Europarats und sein Gericht interessant, weil sich dort wunderbar Mehrheiten organisieren lassen die in einem europäischen Landesparlament so niemals zustande kämen. Daß da etwa die ehemalige deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin via Europarat eine Resolution für das "Recht auf Abtreibung" durchsetzte, gehörte schon zu den übelsten Schurkenstücken der europäischen Parlamentsgeschichte.
   Wenn das Urteil zu etwas gut ist, dann, um deutlich zu machen, welche Auffassungen in "Europa" mitterweile mehrheitsfähig sind. Hören wir mal hin:
Die Menschenrechte sind vor allem ein Resultat der Aufklärung und mussten in mühsamen Kämpfen vor allem auch gegen die katholischen Kirche durchgesetzt werden. Walser widerspricht auch dem zweiten NR-Präsidenten Neugebauer, der das Christentum als Wurzel des Abendlandes ansieht: "Niemand will einen Kulturkampf, niemand möchte auf das christliche Tradition verzichten. Die Wurzeln Europas sind aber vielfältig, man denke etwa an die vorchristliche griechische Philosophie, das Römische Recht und den jüdischen Monotheismus."
   Wenn ich Rechtskunde in der Schule gebe erkläre ich die Herkunft des Asylrechts aus dem Alten Testament. Fragt mich ein Schülern nach den Vorläufern unseres Grundgesetzes, beginne ich mit der Magna Carta von 1215. Der Chefredakteur der Magna Carta war der hochverehrte Erzbischof von Canterbury und Kardinal Stephen Langton, ein hochbegabter Mann, dem wir nicht nur die allererste "Declaration of Human rights" der Geschichte, sondern auch die Pfingstsequenz zu verdanken habe. Die Menschenrechte mußten nicht in "mühsamen Kämpfen gegen die Katholische Kirche" von Aufklärern errungen werden. Die Kirche stand an der Seite der Menschen, die um ihre Rechte kämpften. Und sie mußte eigentlich immer - gegen machtgierige Kaiser und Könige, gegen totalitäre Staaten, auch gegen laizistische "Aufklärer" um ihr eigenes Recht, manchmal um ihre bloße Existenz kämpfen. 
   Wer die vorchristliche griechische Philosophie gegen die christliche Theologie setzt, versteht von Philosophie wenig, von Theologie gar nichts. Wer das "Römische Recht" als Wurzel Europas ansieht, hat wohl noch nie etwas davon gehört, daß die wichtigste Sammlung dieses Rechts, der Corpus Iuris Iustiniani von einem christlich-byzantinischen Kaiser in Auftrag gegeben wurde, und wer den jüdischen Monotheismus vom Christentum als ein völliges aliud absetzt, stammt offenbar von einem anderen Stern.
   Niemand will einen Kulturkampf? Eine verräterische Formulierung. Wer so daherredet, will genau das.

3 Kommentare:

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Herzlichen Dank für diesen hochinformativen Artikel. Wie weit weg sich doch das reale europa von den Grundideen des friedlichen und vereinten Europa der Nachkriegszeit entfernt hat. Ach ja,... Otto von Habsburg...
Angefangen bei Butterbergen, Apfelordnungen und Glühbirnen bis hin zu diesem Urteil zeigt sich für mich, wie sehr sich dieses Vereinte Europa von allen Realitäten entfernt und die eigenen Wurzeln kappt. Ist das nur einfach Unkenntnis und Dummheit oder hat das System? Wie kommen solche Leute überhaupt in diese Positionen? Ich verweigere mich jeglicher Verschwörungstheorien, aber manchmal überkommt mich doch eine Art Paranoia.
Zum Urteil fiel mir ein Spruch von Ludwig Thoma ein, der auf diese Sorte Juristen gut paßt. Ich bitte Dich herzlich, diesen Satz nicht auf Dich persönlich zu beziehen!!!
Zitat:"...er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigen Verstande."
Irgendwie müssen sich diese Leute ja als Juristen für diesen Gerichtshof qualifiziert haben.
Das Urteil zeigt deutlich ihren äußerst mäßigen Verstand.
Qed!

Der Herr Alipius hat gesagt…

Johannes & Laurentius:
100%-ige Zustimmung!

Leider hast Du (Johannes) das "Recht auf Abtreibung" erwähnt, was bedeutet, daß ich nun wieder zweieinhalb Tage lang Magenprobleme und Kopfweh haben werde...

Unknown hat gesagt…

Und wer einer Richterin die Urteilsfähigkeit aufgrund ihrer Herkunft abspricht, will keinen Kulturkampf??? Ich finde die Islamophobie, die aus diesem Artikel spricht, ist der Skandal: Da werden ganze Nationen ausgegrenzt - und warum? Weil sie entweder islamisch oder atheistisch geprägt sind! Das ist unglaublich: mit einer Abschottung des Abendlandes werden wir die Herausforderungen des 21. Jh. nicht meistern. Diese Art von Okzidentalismus, die sich über die Negativfolie des "Anderen" seiner selbst versichert: das bringt Unfrieden über die Welt!!!