Sonntag, 10. Januar 2010

Desorientierte Entsammlung

   Gerne würde ich in der katholischen Kirche - abgesehen von meiner Gemeinde, in der ich mich wohlfühle - einer Gemeinschaft angehören. Zeitweise dachte ich, diese Gemeinschaft könne die Karmelgemeinschaft sein, und die Karmelgruppe in Mainz, der wir bis zu ihrer Auflösung angehörten.  Doch der Konvent in Mainz hinterließ eher einen zweispältigen Eindruck. Zum Konvent gehört die Karmeliterkirche in Mainz, ein gotisches Bauwerk in einem baulich eher beklagenswerten Zustand mit rissigen Mauern und in Jahrzehnten der Vernachlässigung verstaubten und vergilbten Wändern. Allerdings auch mit einem wunderschönen Marienaltar, der nun aber leider das einzige Schmuckstück des Kirchenraums darstellt, selbstverfreilich verstellt durch einen ziemlich banalen Volxaltar, wie sich das für die nachkonziliare Kirche gehört, die im Bistum Mainz immer noch ein bißchen nachkonziliarer ist als andernorts.
   Immerhin erhalten wir seitdem das Informationsblatt der Karmelgemeinschaft, mit der wir wenigstens so noch ein bißchen in Verbindung sind. Dort las ich nun vor einiger Zeit eine Kurzinformation über die Renovierung der Karmeliterkirche in Mainz. Dort war zu lesen, daß in Zusammenarbeit mit dem Bistum Mainz, dem Dekanat Mainz und der Katholischen Jugendzentrale ein Umbau anstehe. Ich gebe zu, daß mich diese Information elektrisiert hat.
   Die Vorstellungen des Bistums Mainz von zeitgemäßem Kirchenbau sind mir aus eigener gemeindlicher Erfahrung bekannt, die architektonische Hinrichtung des Mainzer Priesterseminars war mir ja schon einen Blogeintrag wert. Daß Baudirektor Krämer, wieder sein Steckenpferd der "Orientierte Versammlung" reiten würde, war ja zu befürchten. Das Ergebnis ist wieder einmal die architektonische Hinrichtung eines der altehrwürdigsten Kirchenräume der Stadt. Bei Sätzen wie diesem, bricht bei mir der kalte Angstschweiß aus:
Die Karmeliterkirche will offen sein für Menschen, die inmitten der Betriebsamkeit der Mainzer City einen Ort der Stille, eine spirituelle Oase suchen. Darüber hinaus wird sie Raum für Gottesdienste unterschiedlichster Art bieten: für die öffentlichen Gebetszeiten und Eucharistiefeiern der Klostergemeinschaft ebenso wie für jugendgemäße Gottesdienste und Feiern sowie für ökumenische Veranstaltungen und spezielle Gottesdienste auf Innenstadtebene.
   So sind also gar schröckliche Dinge zu erwarten, zu denen ich vor allem die "jugendgemäßen" Gottesdienste zähle. 
   Als Sproß einer Baumenschenfamilie liegt mir das wirklich "am Herzen" und daß dies nun der 59. Eintrag unter dem Label "Bildersturm" sein muß, macht mich nicht fröhlich. 
   Immerhin gibt es ja andernorts, oder wie es in diesem wunderschön verschwurbelten Bürokratendeutsch heißt, höhernorts auch Lichtblicke.

Kann nicht mal jemand diesem .... beibringen, daß Orientierung sich von Orient ableitet?Ach ja, zu meiner Studentenzeit (68ff.) drehte sich allmorgendlich auf meinem Plattenteller eine Scheibe mit einer Hymne. Der erste Satz begann mit "der Osten ist rot, die Sonne geht auf ".... Dong fang hong, heiang xang. Ging irgendwie ans Herz. Tja, selbst die Maos, denen ich kurzzeitig angehörte *schäm* erwarten, daß das Heil "sicut fulgur ab oriente" kommen wird. Und die Reformkatholen *apageananas* glauben heute offenbar an das "können wir nur selber tun". Oder wie soll man einen Kirchenraum interpretieren, der so konstruiert ist, daß sich die Gemeinde nur selbst in den Blick *bingo!* nimmt?

7 Kommentare:

Florian hat gesagt…

Hab mir gerade die neue Kapelle im Mainzer Priesterseminar angeschaut... Da rollen sich ja die Zehnägel hoch. Hinrichtung ist da wirklich das richtige Wort!

Theresia Benedicta hat gesagt…

Ich war bei besagtem Orden letztens beichten und habe es bewusst nicht gepostet, sondern ein Brieflein an den Oberen geschrieben... So viel zum Thema!!! Mainz ist in manchen Punkten ziemlich komisch, scheint es mir...

Anonym hat gesagt…

Teil 1: Zu ihrem Text: Danke für den spritzigen Beitrag zu, ja wozu eigentlich? Zwischen den Zeilen kommen doch ihre ernsten Themen durch. Wunsch nach Gemeinschaft in der Kath. Kirche, wenn möglich im Karmel. Ihr guter Geschmack ehrt Sie. Aus ein paar Besuchen im Kloster weiß ich, wie die Kirche innen aussieht. Der Zustand, der beklagenswert war, sollte durch die damals anstehende Renovierung verbessert werden. Der "banale" Volksaltar - sie sind doch Teil des Volkes Gottes oder ? - sollte zukünftig nicht mehr die Sicht auf den wunderbaren Chor verstellen. Fehlinformation? Sie sprechen zudem noch von einem Sie elektrisierenden Ereignis. Ich verstehe nicht ganz, was Sie wirklich schockiert hat: War es die Ausrichtung auf die Jugend, die ja nur eine von mehreren zu sein scheint, wie Sie andeuten? Wo soll denn der Nachwuchs in der Kirche ihrer Meinung nach herkommen, wenn nicht aus jungen Menschen. Das ist Einmaleins der Biologie. Ihr Verweis auf die Kappelle des Priesterseminar in Ehren, das Wort "Hinrichtung" ist glänzend gewählt, sollte aber primär auf die Nachwuchszahlen für kirchliche Leitungsaufgaben bezogen werden. Denn hingerichtet wird hier nicht durch Architektur, sondern durch biologische Prozesse, weil nichts mehr nachkommt. Und antworten Sie mir jetzt bloß nicht, dass dieses Problem mit antiken Räumlichkeiten zu lösen wäre. Es bewegt mich auch ihr Angstschweiß. Ich möchte deshalb eine Frage an Sie stellen: Macht Ihnen Offenheit Angst? Es gibt Menschen, die sich vor offenen Plätzen fürchten, das ist leidvolles Erleben einzelner. Das kann man heutzutage aber ganz gut behandeln, in kleinen Schritten ins Freie wagen, so geht das. Was ihr innerkirchlich am Althergebrachten orientierte (bingo) Lebenshaltung betrifft, die ich respektieren kann: Es gibt noch ein oder zwei andere Kirchen in Mainz, in denen Sie das finden könnten, was Sie suchen, oder?

Anonym hat gesagt…

Teil 2: Sie sprechen aus familiärer Erfahrung mit dem Thema Bau. Bedeutet die leidvolle Erfahrung mit Bilderstürmen der Vergangenheit, ich spreche aus denkmalpflegerischer Sicht, doch nicht, dass man jetzt möglichst viele Gegenstände in vorhandenen Räumen sammelt. Das wäre "horror vacui", der aber bekanntlich bereits im 17. Jhdt. durch Blaise Pascal widerlegt wurde und schon gar nicht auf gestaltete Bauten zutreffen kann. Dazu müssen Sie sich mal die christlichen Kirchen aus den ersten 1000 Jahren unserer Zeitrechnung ansehen. Sonst hätten wir ja überall Rokoko. Wie sehr die Mainzer Bistumskirche aber in Wirklichkeit vor- oder nachkonziliar eingestellt ist, lässt sich wohl kaum nur an den Kirchenbauten ablesen. Zudem war das Konzil überaus janusköpfig. Ihre Infragestellung des Kirchenraumes, in dem sich Gemeinde "nur" selbst in den Blick nimmt gefällt mir. Denn wo sonst sollten im christlichen Kontext die Menschen ihrem Schöpfer begegnen, wenn nicht in ihren eigenen Brüdern und Schwestern? In der Wand doch wohl kaum. Aber verstehe ich Sie gut, wenn es Ihnen hier um Offenheit geht?

Anonym hat gesagt…

Teil 3: Zu ihren Angaben zu Ihrer Person:
Nein, nicht wie auf dem Bild: so sehen Sie vermutlich wirklich nicht aus. Sie waren also zuerst Anarchist, dann haben Sie sich mit Grausen abgewandt, danach ein frommer evangelischer Christ, dann beim CVJM, sowie Rochmusiker, Hippie, Streetfigter, Hausbesetzer, braver Familienvater und vieles mehr bis hin zum Rechtsanwalt. - Junge, hatten Sie einen weiten Weg. Die Vollendung sehen Sie in ihrem Katholik-Sein. Wussten Sie, dass katholisch soviel wie allumfassend heißt und nicht alles ausschließend? Aber das scheint bei einigen Konvertiten ein Problem zu sein, dass sie ihr Zuhause doch nicht so recht in dem neuen gefunden zu haben, das sie gewählt haben. Sonst würden Sie sich selbst doch nicht so vehement die Tür zuhalten. Und dann noch ein Anwalt, der sogar sein chinesisches Horoskop (der elegante Büffel) angibt. Ihre Suche ist nicht am Ende alter Freund. So mancher Jurist würde sich spätestens hierbei ins Hirn seiner eigenen Berufsehre geschissen fühlen. Nein, nach Beheimatung klingen ihre Worte nicht in meinen Ohren. Ich wünsche Ihnen diese aber hiermit.

mfg
Schwester Pertinenzia

Anonym hat gesagt…

Und zu ihrem Kommentar in Bezug auf ihr Beichterlebnis, verehrte Theresia Benedicta, möchte ich Sie hiermit auf die Grenzen verweisen, die Ihnen Ihre "eigene" Kirche setzt. Das Beichtgeheimnis gilt in der Römisch-Katholischen Kirche nämlich nicht nur für den Priester, sondern ebenso für den Pönitenten.

Sister for hopeless cases

Johannes hat gesagt…

Kleines Mißverständnis, Miss Impertinentzija. Ich bin durchaus christlich getauft und erzogen, meine anarchistische Zwischenphase liegt wie bei so manchen anderen meiner Generation zwischen 67-77. Die Baukunst ist mir gewissermaßen in die Wiege gelegt worden, mein Cousin baut für die (lutheranische) Kirche, mein Bruder ist, mal abgesehen davon, daß er eher dem Bhuddismus zuneigt, ein studierter Spezialist für romanische Kirchenbauten. In Kindheit und Jugend habe ich so manchen Sonntag in der Kirche verbracht, nicht um den Gottesdienst zu besuchen, sondern um mir von meinem Bruder erklären zu lassen, warum die alten Kirchen stets in Ost-West-Richtung gebaut wurden, warum sie stets eine bestimmte Zahl von Türen, Durchgängen, Säulen hatten, weshalb sie immer altrömischen Basiliken gleichen, wozu es eine Brauttür gab, weshalb immer zuerst die Krypta errichtet wurde und so weiter. Manchesmal hat ein Architekt mehr Ahnung von Liturgie als ein schlecht ausgebildeter Pfarrer, dem man offenkundig nie erklärt hat, warum in einem Kirchenraum, jedenfalls dann wenn es ein Kirchenraum der katholischen Kirche ist, alles seinen Platz hat. Nur wenn man die Liturgie nachvollzieht, kann man die Architektur alter Kirchen verstehen. Und die Architektur der alten, manchmal auch nur der älteren Kirchen läßt uns manchmal die Liturgie verstehen.
Wer sich Volxaltäre ausgedacht hat, versteht allerdings weder das eine noch das andere.
Am Hochaltar findet die Vergegenwärtigung des auf dem Hügel von Golgotha dargebrachten Opfers des Lammes Gottes statt. Am Volxaltar kann man nur das Gedächtnismahl zelebrieren, und auch das nicht in der rechten Weise.