Samstag, 11. September 2010

nulla ars vivendi, nulla ars moriendi


Herrn Brauchitsch hat meine Generation noch in unguter Erinnerung. Brauchitsch war die Zentralfigur der sogenannten Flick-Affäre, der Mann, der im Laufe vieler Jahre die politische Klasse mit wohl insgesamt 25 Millionen D-Mark "zur Pflege der politischen Landschaft" und zum Nutzen seines Arbeitgebers fütterte. Alle Parteien, alle maßgeblichen Politiker der Zeit, Strauß, Kohl, Lambsdorff, Scheel hatten hohe Summen erhalten. Parteispenden, die unter Umgehung des Parteiengesetzes direkt an wichtige Repräsentanten der politischen Parteien gezahlt wurden. Der Verdacht der Bestechlichkeit stand im Raum, die Staatsanwaltschaft erhob Klage. Keiner wurde wegen Bestechung verurteilt, aber Brauchitsch wurde mit einer Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung belangt, Lambsdorff und Friderichs mußten Geldstrafen zahlen. Das Verfahren scheiterte am bemerkenswert schlechten Gedächtnis aller beteiligten Zeugen

Die politische Landschaft änderte sich nicht nennenswert, die wegen Steuerhinterziehung verurteilten Koofmichs bekleideten alsbald wieder hohe Positionen. Lambsdorff wurde gar von seiner Partei nur ein Jahr nach seiner Verurteilung mit der Position des Parteivorsitzenden belohnt.

Vor wenigen Tagen starb Brauchitsch im Alter von 83 Jahren. Gestern stellte sich heraus, daß er sich wohl auch seinen Tod erkauft hatte. Gemeinsam mit seiner gleichaltrigen Frau hatte sich Brauchitsch in die Hände der schweizerischen Sterbehilfevereinigung EXIT begeben.

Die Überzeugung, daß Personen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, mit ihrem Leben und auch mit ihrem Sterben ein Beispiel geben sollten, ist nicht mehr sonderlich weit verbreitet.

Bei Exit hat ein wahrer run eingesetzt. Vor allem, weil Exit zunehmend Menschen zum Tode verhilft, die keineswegs sterbenskrank, keineswegs schwer leidend sind, sondern nur hinfällig und alt.

So schließt sich der Kreis. Ganz am Anfang entsorgt die - ist es irgendjemandem aufgefallen? - nunmehr legale PID die genetisch Dysfunktionalen, am Ende des Lebens entsorgt EXIT die, die sich selbst und ihrer Umgebung nur noch lästig sind. Einen gefälligeren Namen für DIE PILLE, mit der Exit und Dignitas ihre Kunden ins Jenseits befördern, sollte man sich noch ausdenken. Natrium-Pentobarbital ist doch völlig unsexy. Wie wärs mit SOMA?

Keine Kommentare: