Margaret Sanger, die wahrscheinlich bedeutendste Vorkämpferin des "New Moral Code" wäre von diesem Urteil des Deutschen BGH sicher begeistert gewesen.
Die Präimplantationsdiagnostik zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden des extrakorporal erzeugten Embryos ist nicht strafbarlautet die Überschrift der Presseerklärung. Für Juristen ist die eigentliche Begründung dieses Urteils - bisher ist nur die Presseerklärung bekannt - eher uninteressant. Schon der Vorinstanz war aufgefallen, daß das deutsche Embryonenschutzgesetz die erst verhältnismäßig moderne Methode der Präimplantationsdiagnose nicht verbietet. Gar nicht verbieten konnte, denn sie war zum Zeitpunkt der Verabschiedung des ESchG noch unbekannt. Und so benötigt der BGH auch nur wenige Sätze, um zu begründen, daß in dem hier zu entscheidenden Fall eines der ehernen Grundgesetze der Strafrechtsgebung anzuwenden sei. Nulla poena sine lege. Keine Strafe ohne Gesetz. Nicht einfach nur eine Norm der Strafprozeßordnung, sondern der Verfassung (Art. 103 Abs. II GG). Freispruch.
Ein Fortpflanzungsmediziner hatte drei Paare beraten, bei denen jeweils ein Partner eine genetische Belastung aufwies. Das Risiko, ein behindertes Kind zu zeugen, war in allen drei Fällen hoch. Sie baten daher den Mediziner, vor Einsetzung der im Reagenzglas erzeugten Embryonen jeweils zu untersuchen, ob die Embryonen genetische Merkmale der jeweiligen Erbkrankheit aufwiesen. Der Mediziner holte ein Rechtsgutachten ein, ob diese Verfahrensweise rechtlich bedenklich sei und führte, nachdem dieses Gutachten in seinem Sinne ausfiel, die PID durch. Die genetisch belasteten Embryonen wurden getötet.
Anschließend zeigte sich der Herr Mediziner bei der Staatsanwaltschaft an, die ihn wiederum anklagte. Mit einem Ergebnis, daß, wie gesagt, für Juristen keine wirkliche Überraschung ist.
Doch der BGH hat es nicht bei dem dürren Hinweis auf die Ungeeignetheit des ESchG für die Strafverfolgung der PID belassen.
Ein strafbewehrtes Gebot, Embryonen auch bei genetischen Belastungen der Eltern ohne Untersuchung zu übertragen, birgt hohe Risiken in sich; vor allem ist zu besorgen, dass sich die Schwangere im weiteren Verlauf nach einer ärztlicherseits angezeigten und mit denselben Diagnosemethoden durchgeführten Pränataldiagnostik, hinsichtlich derer eine ärztliche Aufklärungspflicht besteht, für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet. Die PID ist geeignet, solch schwerwiegende Gefahren zu vermindern. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sie verboten hätte, wenn sie bei Erlaß des Embryonenschutzgesetzes schon zur Verfügung gestanden hätte.Hier bekommen wir "lange Zähne". Denn der BGH phantasiert sich an die Stelle des Gesetzgebers und mutmaßt, wie dieser denn wohl entschieden hätte, wäre diesem die Methode der PID schon bekannt gewesen. Eine kaum verhüllte richterliche Kompetenzüberschreitung. Inkonsequent ist sie allerdings nicht, denn wenn der Gesetzgeber eine Abtreibung aus eugenischen Gründen selbst bis kurz vor der Geburt zuläßt, dann erscheint die Selektion "dysgenischer" Individuen vor ihrer Einpflanzung in die Gebärmutter noch als das kleinere Übel.
Um die Sache noch sicherer zu machen, weist der BGHvöllig zu Recht darauf hin, daß schon jetzt das ESchG in § 3 Satz 2 eine Selektion zum Zweck der Vermeidung "erbkranken Nachwuchses" zuläßt.
Selten sind die eugenischen Wurzeln der modernen Fortpflanzungsmedizin deutlicher geworden. Daß das zweithöchste deutsche Gericht da auch noch Beifall spendet, läßt mich zusammenzucken. Wo bitte gehts nicht nach GATTACA? Denn der BGH hat die Mentalität des deutschen Gesetzgebers wohl ganz richtig eingeschätzt. Mit diesem und seinem Sterbehilfeurteil hat der BGH jedenfalls das Leben an seinem Anfang und seinem Ende eindeutig unsicherer gemacht. Und der Gesetzgeber wird ihm folgen.
Unsere Justizministerin ist schon kräftig am Jubeln.
2 Kommentare:
in deutschland ist ein schwangerschaftsabbruch aus medizinischer indikation bis zur 23.SSW möglich. ein schwangerschaftsabbruch aus eugenischer indikation IST IN DEUTSCHLAND NICHT erlaubt.
bitte sachlich korrekt bleiben, gerade bei diesem thema.
Irrtum. Die medizinisch-soziale Indikation des § 218a StGB umfaßt unter einem anderen Titel und mit einer anderen Begründung die eugenische Indidaktion und erlaubt nunmehr eine Abtreibung über die 22. Woche hinaus!
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