Nein, nein vor Knochenmänner und Friedhöfen gruselts mich nicht. Jedenfalls solange mich keiner dazu zwingt, meinen Mannesmut um Mitternacht bei Kerzenschein in einem Beinhaus zu beweisen.
Mich gruselts vor dem Verlust der christlichen Sepulchralkultur. Ist sie nicht uralt-jüdisch-christliches Erbe? Schon den Juden war der Gedanke, den Leib eines Verstorbenen in alle Winde zu zerstreuen, ihn der Vergessenheit anheim fallen zu lassen, oder gar zu verbrennen, unerträglich. Zu Zeiten Jesu sammelt sie die Knochen der verwesten Leichname und bestatteten sie in Beinkästen - Ossuarien.
Die Sitte, die Toten - oder deren Knochen - in Katakomben zu bestatten, übernahmen die Christen Roms nicht von ihren heidnischen Nachbarn - die bevorzugten die Feuerbestattung und verwahrten die Asche in einem Kolumbarium - sondern von ihren jüdischen. Daß sich die christlichen Viertel Roms in der Nachbarschaft der jüdischen entwickelt, die christlichen Katakomben eine Fortsetzung der jüdischen waren, ist heute archäologisch erwiesen.
Im Christentum verband sich jüdisch-christliche Tradition mit dem Glauben an die Auferstehung "im Fleische" und mit der Tradition, in den Altären der Kirchen Reliquien der Heiligen und Märtyrer zu bewahren. Liebevoll wurden schon in frühester Zeit die Toten beerdigt, in ihren schönsten Kleidern, mit ihrem Schmuck - oder wenn es sich um Kleriker handelte - mit Kelch und Hostienschale. Man richtete ihre Gräber nach Osten, legte unter ihren Kopf ein Kissen, damit sie bei der Auferstehung sich nur erheben mußten, um das Licht zu begrüßen, das im Osten "sicut fulgur exit ab oriente" aufscheinen würde.
Da der bevorzugte Platz der Bestattung "ad sanctos", also in der Nähe der Reliquien der Heiligen beschränkt war, und Gräber wiederbelegt werden mußten, entwickelt sich alsbald eine eigene christliche Tradition der Ossuarien. Kein christlicher Friedhof ohne Beinhaus, der auch für die exhumierten Leiber ein würdiges Grab ermöglichte.
Der aufkommende Atheismus des 19. Jahrhunderts nahm unter anderem auch die christliche Begräbniskultur aufs Korn. Der Kampf für die Zulassung der Feuerbestattung war eines der ersten politischen Ziele der Atheistenbewegung des 19. Jahrhunderts. Die älteste deutsche Atheistenvereinigung ist aus dem Verband der "Freidenker für Feuerbestattung" hervorgegangen.
Die christlichen Kirchen leisteten lange Widerstand. Die sechziger Jahre haben auch diesen Widerstand gebrochen. Das prinzipielle Verbot der Feuerbestattung wurde 1963 aufgehoben.
Nun richtet die Bistümer selbst "Kolumbarien" ein. Und sehen dies - na klar - als "pastorale Chance". Dabei weiß die "Handreichung" sehr wohl, daß Freimaurer, Marxisten und Atheisten die Feuerbestattung aus idelogischen Gründen propagierten. Daß die Christen gemäße Bestattungsform die Erdbestattung ist. Über die geistigen Wurzeln der Feuerbestattungsmode herrscht also durchaus Einigkeit. Aber die Lösung besteht zumindest in der norddeutschen Kirchenprovinz nun darin, leerstehende Kirchen zu Kolumbarien umzugestalten. Ist keinem aufgefallen, daß man sich schon in der Namenswahl nicht auf das christliche, sondern das heidnische Rom bezieht?
5 Kommentare:
Hm, das ist sehr schwer, dazu direkt und unwiderruflich Stellung zu beziehen. Das von Dir im verlinkten Bericht genannte Kolumbarium war über ein halbes Jahr ein Teil meines Arbeitsplatzes. Einerseits sehe auch ich die Schwierigkeit, die sich hier im Hinblick auf die "Auferstehung des Fleisches" darbietet. Es gibt auch in Erfurt Kritiker des von Weihbischof Hauke ins Leben gerufene Kolumbarium, in dem übrigens nicht nur Christen ihre letzte Ruhestätte finden. Andererseits ist die Situation in der Diaspora mit einer atheistischen Mehrheit, die jedoch nicht per se kirchenfeindlich eingestellt ist, eine andere. Wenn man langsam beginnt, eine abendländische Tradition wieder zu errichten oder neu zu begründen, dann fängt man eben auf einem sehr niederschwelligen Niveau an.
Nichts desto trotz sehe ich rein argumentativ die theologische Sachlage wie Du. Aber ich möchte es eben nicht dogmatisieren.
Ich hoffe übrigens, daß mein Blog jetzt nicht zu denen gehört, die Du "fast nie" liest ;-)
Die Feuerbestattung war - neben allen angeblich hygienischen Gründen - die Form, die sich gegen den christlichen Glauben, die Auferstehung der Toten und die Unsterblichkeit der Seele richtete. Auch in meiner Jugend im Ruhrgebiet waren Urnenbestattungen Vorrecht überzeugter Kommunisten! Heute ist es der billigeste Weg, einen Verstorbenen zu entsorgen. Die Grabpflege ist günstiger oder entfällt bei anonymer Bestattung ganz. Leider sind auch katholischen Friedhöfen Urnengräber günstiger als die normalen Erdgräber. Hier könnte durch die Gebührenordnung schon einiges geschehen.
Wenn wir in die Verkündigung unserer Gemeinden hineinhorchen, so werden wie wenig zum Thema Auferstehung der Toten hören, auch zu Allerseelen. Hier werden häufig Bewältigungsstrategien für die Hinterbliebenen vorgeführt und nicht mehr über die Endlichkeit des Lebens und das ewige Leben gepredigt. Das gehört in den Bereich der pastoral verpönten alten Drohkirche! Manchmal habe ich den Eindruck, daß den Predigern diese Perspektive auch fehlt. Wir feiern uns, erinnern uns an die schöne Zeit mit den Verstorbenen und wir haben die Hoffnung, daß sie in Gott geborgen sind. Nix Verantwortung für das Leben! Nix Gericht! Alles ist ein mildes Hinübergehen. Die Texte des Requiems sind nicht mehr zumutbar und entspricht nicht mehr unserer Glaubenswelt, bla bla!
Und endlich: wie soll eine katholische Kirche deutschen Zuschnittes zu diesem Thema eine profilierte Haltung einnehmen, die sich gegen die allgemeine Entsorgungsmentalität stellt und dann noch auf Basis "antiquierter" Theologie?
Also eines kann ich auf jeden Fall aus der Praxis berichten: Entsorgungsmentalität herrscht in besagtem Kolumbarium nun nicht. An jedem Herz-Jesu-Freitag ist um 15 Uhr eine Andacht, die gut besucht ist.
Kolumbarium bleibt Kolumbarium und wenn dort 100 Andachten am Tage gehalten werden!
wenn dort aktive Christen die Vasen mit ihren Angehörigen reinstellen lassen, so ist dies vielleicht auch ein Akt der Verbundenheit zu ihrer entweihten Kirche. Solche Umnutzungen fördern m. E. die Verwirrung und die Verwischung der Grenzen zwischen pagan-neuheidnischem Verzweckungsdenken und christlicher -Achtung: schlimmes altes Wort!- Ehrfurcht!
Hier fehlt es an Aufklärung und echter Bildung!
Friedwald bleibt Friedwald und Gottesacker bleibt Gottesacker!
Ein Ferrari ist kein Feuerwehrauto, bloß weil er rot ist und ein Schleppsäbel ist kein Brotmesser!
So einfach sehe ich das!
Ich sprach von "Entsorgungsmetalität" und nicht vom Terminus "Kolumbarium".
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