Montag, 11. Oktober 2010

Das neue Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses


In regelmäßigen Abständen verwette ich meine Advokatenkutte (schwarz, edelste Wolle mit Seidenbesatz, maßgefertigt). Verloren hab ich noch nie. Weil, ich tu das immer nur, wenn ich mir völlig sicher bin, die Wette zu gewinnen.

Am 10. Juli war es mal wieder so weit. Da hab ich das begrenzt kleidsame Prachtstück meiner Anwaltswürde verwettet, daß es niemals zu einer der Programmatik der CDU entsprechenden Regelung der Spätabtreibung kommen werde, und daß das kurz zuvor durch den BGH verkündete Nicht-Verbot der Präimplantationsdiagnose Bestand haben wird.

Quod erat demonstrandum.

Noch immer warten wir auf die Gesetzesinitiative der Christunionler, die furchtlos das endgültige Verbot der PID ins Werk setzen würden. Stattdessen liegt nun ein Entwurf der in Fragen des Lebensschutzes exquisit gnadenlosen FDP-Abgeordneten Ulrike Flach vor, in dem es völlig unverblümt heißt:
Der Hinweis auf eugenische Selektionen zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur muss ernstgenommen werden, ist aber angesichts veränderter und gefestigter moralischer Kategorien hinsichtlich des Wertes behinderten Lebens nicht hinreichend, um die PID weiter zu verbieten
Schön, daß es noch Menschen gibt, die so überhaupt keine Gewese machen, wenns darum geht, uns deutlich zu machen, was sie wirklich wollen. Nur daß eben "verändert und gefestigt" eben das Gegenteil bedeutet von gefestigt, nämlich verändert. Und die Neuen Moralischen Kategorien eben nichts anderes sind als der New Moral Code.

Da könnte man doch einen Schritt weiter gehen, und statt dem verquollenen und umständlichen Begriff "Reproduktionsmedizingesetz" doch gleich den nordisch-eiskalt-klaren des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" wählten. Wüßte doch gleich jeder, was gemeint ist. Schließlich geht es doch genau darum. Nur daß man nicht mehr das brutale Mittel der Zwangssterilisation anwendet sondern daß scheinbar sanftere der PID. Das Ergebnis ist dasselbe.

Der Vorgang bestätigt das Gesetz der schiefen Ebene. Tritt man einen einzigen Hemmschuh weg, der das Abrutschen moralisch-ethischer Regeln hindert, kommt das Gebäude der Ethik ins Rutschen bis die Trümmer ungebremst zu Tal rauschen.

Und wieder erweist sich humanae vitae als prophetisch. Die Zulassung der künstlichen Empfängnisverhütung, insbesondere der medizinische Eingriff in den Hormonhaushalt der Frau, machte die "Familienplanung" hoffähig, und entwaffnete die Frauen. Ein weiteres Instrument der "Familienplanung", die Legalisierung der Abtreibung wurde fast genau ein Jahrzehnt nach Zulassung der Pille von einer moralisch umgeformten Gesellschaft akzeptiert. Es folgte die künstliche Befruchtung als weiteres Instrument der "Familienplanung". Es folgte die Zulassung der Spätabtreibung zur direkten Verhütung erbkranken Nachwuchses. Es folgte diesem Akt - durch den Deutschen BGH ausdrücklich so begründet- - die Legalisierung der vorgeburtlichen PID. Der Gesetzgeber wird folgen. Wie er am Ende des Lebens mit der Legalisierung des assistierten Selbstmordes gefolgt ist.

In Wahrheit ist das "Recht auf Abtreibung" längst, wie Forscher festgestellt haben, eine Pflicht zur Abtreibung.  Denn es sind nicht in der Mehrheit die Frauen, die auf Abtreibung drängen, sondern es ist ihre Entourage, insbesondere der nicht Vater sein wollende Vater. Auf das Recht zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wird die Pflicht zur Verhütung erbkranken Nachwuchses folgen, denn das kranke Kind hätte doch verhütet werden können - so wird man den Eltern behinderter Kinder entgegenhalten. So wie der alte kranke Mann und die alte kranke Frau hätten verhütet werden können. Denn es gibt doch die Möglichkeit des assistierten Selbstmordes für die Alten und Kranken, die ihrer Umgebung zur Last fallen.

Wie soll man da argumentieren? Ist sie nicht schöner, die tapfere Neue Welt ohne Behinderte, Kranke und Alte? Nein, sie ist eine Welt ohne Liebe und ohne selbstlose Hingabe. Und ohne Liebe und ohne die Ganzhingabe an den Anderen gibt es kein Leben.

7 Kommentare:

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Danke für diesen erhellenden Beitrag, auch wenn der Blick in die Zukunft noch deprimierender wird! Das Verhalten der Politik - im Tun wie im Unterlassen - schreit zum Himmel. Und was tun wir ...?!?

Ein Lichtblick, aber nur nebenbei: Ob solcher Beiträge verdient Mater amata meines Ermessens eine Robusta! Leider der einzige Lichtblick ...

Lila hat gesagt…

Zu diesem Thema zitiere ich mal Storms Schimmelreiter:

Und Elke öffnete die Tür und ließ das Kind hinaus. Als sie dieselbe wieder geschlossen hatte, schlug sie mit einem Ausdruck des tiefsten Grams die Augen zu ihrem Manne auf, aus denen ihm sonst nur Trost und Mut zu Hülfe gekommen war.

Er reichte ihr die Hand und drückte sie, als ob es zwischen ihnen keines weiteren Wortes bedürfe; sie aber sagte leis: »Nein, Hauke, laß mich sprechen: das Kind, das ich nach Jahren dir geboren habe, es wird für immer ein Kind bleiben. O lieber Gott! es ist schwachsinnig; ich muß es einmal vor dir sagen.«

»Ich wußte es längst«, sagte Hauke und hielt die Hand seines Weibes fest, die sie ihm entziehen wollte.

»So sind wir denn doch allein geblieben«, sprach sie wieder.

Aber Hauke schüttelte den Kopf. »Ich hab sie lieb, und sie schlägt ihre Ärmchen um mich und drückt sich fest an meine Brust; um alle Schätze wollt ich das nicht missen!«

Die Frau sah finster vor sich hin. »Aber warum?« sprach sie; »was hab ich arme Mutter denn verschuldet?«

- »Ja, Elke, das hab ich freilich auch gefragt, den, der allein es wissen kann, aber du weißt ja auch, der Allmächtige gibt den Menschen keine Antwort - vielleicht, weil wir sie nicht begreifen würden.«

Er hatte auch die andere Hand seines Weibes gefaßt und zog sie sanft zu sich heran. »Laß dich nicht irren, dein Kind, wie du es tust, zu lieben; sei sicher, das versteht es!«

Da warf sich Elke an ihres Mannes Brust und weinte sich satt und war mit ihrem Leid nicht mehr allein. Dann plötzlich lächelte sie ihn an; nach einem heftigen Händedruck lief sie hinaus und holte sich ihr Kind aus der Kammer der alten Trin' Jans und nahm es auf ihren Schoß und hätschelte und küßte es, bis es stammelnd sagte: »Mutter, mein liebe Mutter!«

So lebten die Menschen auf dem Deichgrafshofe still beisammen; wäre das Kind nicht dagewesen, es hätte viel gefehlt.

http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2799&kapitel=17&cHash=cdc9dafdf02#gb_found

Mcp hat gesagt…

Wenn ich allen anderen vorbehaltlos zustimme, so wage ich diesen Satz ernsthaft zu bezweifeln:

"Denn es sind nicht in der Mehrheit die Frauen, die auf Abtreibung drängen, sondern es ist ihre Entourage, insbesondere der nicht Vater sein wollende Vater."

Die statistische Datenbasis, auf dem diese kühne Behauptung ruht, würde ich gern näher in Augenschein nehmen wollen.

Johannes hat gesagt…

Nach diversen amerikanischen Instituten, die darüber Untersuchungen durchgeführt haben, ist der mit Abstand wichtigste Grund für eine Abtreibung, daß die Schwangere nicht mit dem Vater des Kindes verheiratet ist, oder nicht mit ihm zusammenlebt. 48% der Frauen, die eine Abtreibung durchführen lassen, nennen Beziehungsprobleme als den wichtigsten Grund. Der Prozentsatz dürfte in Wahrheit höher sein, denn 75% der Frauen, die eine Abtreibung durchführen lassen, sind nicht verheiratet. Dies bestätigt unter anderem eine Unersuchung des (pro choice-orientierten) guttmacher-Instituts aus dem Jahre 2005. Der am häufigsten genannte Grund ist "ich kann mir ein Kind nicht leisten". Der wichtigste Grund für eine Abtreibung ist damit offenbar der Vater, der die Mutter seines Kindes alleine läßt.

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Danke für diesen "hellsichtigen" Beitrag.
Ich gehöre noch zu der Generation von Katholiken, die von Priestern geprägt wurde, die um die "völkische Ethik" wußten und uns vor den subtilen kleinen Aufweichungen im Namen der Gesundheit, Effektivität, Kostenreduzierung oder wie man es sonst verschleiert, eindringlich warnten. Ob es nun im Namen der Rasse oder im Namen der Kasse getan wird, ist vollkommen egal.
Da ich nun privat sehr viel mit Hebammen zu tun habe, weiß ich um den enormen Druck, dem werdende Mütter durch die "Kindsväter", Verwandte, Freundinnen, Nachbarn etc. ausgesetzt sind. Ob sehr früh oder später im Leben, als es der sog. Norm entspricht: Abtreibung ist dort der normale Ausweg, der von der ach so vernünftigen Umwelt empfohlen wird. Ist sie jung, so wird über die Schiene "Du versaust dir dein Leben!" 'argumentiert', ist die Frau älter als 40 wird mit den "möglichen Behinderungen" gearbeitet. Gynäkologen müssen Frauen im "vorgerückten Alter" darauf hinweisen und auch die Abtreibung als Möglichkeit erwähnen, damit sie nicht später in Regress genommen werden können, wenn an dem Kind dann mal nicht alles gesund ist.
Auf die häufig lebenslangen psychischen Beschädigungen, die der Abtreibung fast immer folgen, weist natürlich niemand hin.
Ich bin mal gespannt, ob jetzt am nächsten Sonntag unsere "so im Leben stehenden" Priester mal endlich laut und deutlich gegen diesen Entwurf ihre Stimme erheben.
Ich suche schon mal wieder die Predigten des sel. Löwen von Münsters heraus.

Noch eine Frage:
Du hattest bei Stanislaus zum Thema Altkatholiken und Katholikenverfolgung in Preussen etwas sehr interessantes geschrieben. Gibt es dazu eine Monographie oder einen griffigen Artikel?

Danke

Johannes hat gesagt…

@Laurentius. Manuel Borutta, Antikatholizismus. Ist leider eine zum Buch umgearbeitete Doktorarbeit und hat auch sonst ein paar Macken ist aber sehr informativ und stellt vor allem den Kulturkampf in den europäischen, inbesondere den deutsch-italienischen Kontext. Borutta befasst sich auch mit der Rolle der Altkatholiken im Kulturkampf.
Zum 'Druck, der auf Schwangere ausgeübt wird, weiß ich im übrigen auch aus meiner anwaltlichen Praxis einiges. In der Regel erfolgt eine Trennung, wenn die Mutter des Kindes nicht so will, wie der Vater.Ich habe im meiner Kanzlei häufig genug gehört, daß eine Trennung erfolgt weil ein Kind unterwegs ist, entweder weil es das erste ist, für das sich der Vater "noch nicht bereit" fühlt, oder eines, das nach Auffassung des Vaters eines zu viel ist. Außerdem hat Mann es doch so ernst nun auch wieder nicht gemeint, daß er nun für ein Kind die Verantwortung übernehmen will. So führt eine direkte Linie von der Verhütungsmentalität zur Abtreibung zur Untreue, vor allem zur männlichen Treulosigkeit. Ein Vater, der eine Schwangere verläßt, hätte sich noch vor fünfzig Jahren als Schuft unmöglich gemacht. Heute erntet er Verständnis, weil seine Ex schließlich das Kind hätte "wegmachen" lassen können. Ich wundere ich immer über die Kerle, die mir das ins Gesicht sagen, ohne auch nur rot zu werden. Werde wohl doch zu alt für den Job.

Anonym hat gesagt…

Der übliche Trick der ?DU-Führung bei Abstimmungen über solche Grundsatzfragen ist es, mit dem Verweis auf eine Gewissenentscheidung den Fraktionszwang aufzuheben. Damit ermöglicht sie es einigen sog. Liberalen in der Fraktion, den lebensfeindlichen Gesetzen zu einer Mehrheit zu verhelfen, ohne gleichzeitig den Lebensschützern offen den Stinkefinger zu zeigen.

Anders habe ich es in den letzen 40 Jahren nicht erlebt.