Mittwoch, 20. April 2011

Ein neues Würgwort: kruziforme Toleranz


Für die, die gerade kein altgriechisch/kirchenlateinisches Wörterbuch dabei haben. Eleemosyna:Almosen; Jejunium: Fasten; Abstinentia: Verzicht; Flagellatio: Züchtigung. So hart waren also die Sitten zu der Zeit, zu der das lateinisch/englische Meßbuch erschien, aus dem dieses Bild stammt (Nachdruck übrigens bei Angelus Press)

Manchmal erscheint mir die Fastenzeit heutzutage aber ungleich härter. Nun ist es nicht ganz ohne Schmerz und Herzeleid, auf das preisgünstige Mittagsschnitzel mit Pommes im Herrngartencaffée zu verzichten, daß gerade eben zur sonndurchglänzten Frühlingszeit wiedereröffnet hat, und daß von meinem Büro nur 300 m zu Fuß entfernt ist, ebenso entbehrungsreich wie der Verzicht auf den Caramel Macchiato mit Vollmilch bei *Schleichwerbung* (auch gerade um die Ecke, schnief) ganz zu schweigen von dem guten, nach altitalienischem Rezept selbstgemachten Pistazien-, Nuß- und Malagaeis beim Italiener um die Ecke.

Chorproben in der Fastenzeit, insbesondere nahe Ostern gehören angesichts eines Chorleiters mit dezent sadistischen Neigungen, der den armen Tenor, dem ich anzugehören das Unglück habe, durch das Händelsche Halleluja quält, eindeutig zur Kategorie "flagellatio".

Doch all dies ist steigerbar durch die lichtvollen Meditationen deutscher Theologen in der deutschen Qualitätspresse.

Nun habe ich von einem Pfarrer Jochen Teuffel noch nie etwas gehört.  Aber daß er auserwählt wurde, im Feuilleton der FAZ über die Fastenzeit zu meditieren läßt eigentlich nur auf eindeutige Absichten bei den antikatholischen Quälgeistern Bahners, Deckers, Geyer schließen.

Schon das verschwurbelte mit Ideologemen gespickte Deutsch, in dem der Artikel verfasst ist, ist für einen in die deutsche Sprache unglücklich Verliebten wie mich eine Teufelei sondergleichen.
In der Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Anerkennung des Islam in Deutschland ist häufig von einer christlichen Leitkultur die Rede. Wo damit ein abendländisch-christlicher Gesinnungsvorbehalt gegenüber Muslimen ins Spiel gebracht werden soll, ist dies der sicherste Weg, das Evangelium und das Kreuz Christi gesellschaftlich zu diskreditieren. An Stelle der kruziformen Toleranz tritt hier ein menschenmächtiger Religionsanspruch, der mit politischen Mitteln außerhalb des persönlichen Glaubens geltend gemacht wird. Da mögen sich für wertkonservative Christen kurzfristig Allianzen mit kirchendistanzierten oder gar atheistischen Islamkritikern ergeben. Auf Dauer kann jedoch die Propagierung einer abendländisch-christlichen Erbengemeinschaft nicht anders denn als „postsäkularer“ Versuch verstanden werden, eine partikulare, kirchliche Traditionsbindung gesellschaftspolitisch nachzubilden.
"Kruziforme Toleranz"? Der Autor dementiert im Namen der "Theologie des Kreuzes" die legitime Existenz eines christlichen Abendlandes. Die christliche Leitkultur Europas wird als "menschenmächtig" denunziert. Glaube ist - persönlich. Also privat. Also gefälligst allenfalls hinter zugezogenen Gardinen bei Zimmerlautstärke zu zelebrieren. Jedenfalls dann, wenn es sich um den christliche Glauben handelt, den dieser hat ja "kruziforme Toleranz" zu üben.
Ist im Namen christlicher Werte ein gesamtgesellschaftlicher Anspruch auf Einschluss neu gestellt, wird damit unweigerlich das kollektive Gedächtnis an das voraufklärerische Corpus Christianum geweckt. Gegen die imaginierte Restauration einer religiös motivierten Sozialdisziplinierung steht noch einmal das Pathos bürgerlicher Freiheit und Selbstbestimmung auf dem Panier. Was in Deutschland als Religionskritik gegen den Islam geltend gemacht wird, trifft langfristig die Kirchen. So kann die gegenwärtige Islamdebatte nur die Entwicklung hin zu einem laizistischen Staat befördern, was einer Verdrängung der Kirchen aus der Öffentlichkeit gleichkäme.
Nur damit ich das richtig verstehe: wenn also die Kirche - Oh Chesterton exsurge! - den Anspruch erhebt, die europäische Kultur geprägt zu haben und weiter prägen zu dürfen, wenn sie also "Christenrecht" der Sharia vorzieht, weckt sie das "kollektive" Gedächtnis an das "voraufklärerische" Corpus Christianum, weckt also die Intoleranz gegenüber jeglichem Religösen, die sich zunächst gegen die Muslime, in der Folge dann gegen die Kirche(n) richtet. Die Kirche hat also das volle Programm des religions- und christentumsfeindlichen Laizismus zu übernehmen, um sich auf das Wohnzimmer- und Katakombenchristentum zurückzuziehen, andernfalls sie sich ja gegen die Prinzipien der kruziformen Toleranz verginge.

Um also den konsequenten Laizismus - Benedikt nennt ihn die Diktatur des Relativismus - zu vermeiden, müsse man eben diesen konsequenten Laizismus selbst befördern. Also (wenigstens kulturellen) Selbstmord begehen aus Angst vor dem Tod.

Zeitung lesen kann manchmal ein rechtes Martyrium sein.

Aber auch in anderer Lesart ist dieser Artikel einer, der ganz neue Perspektiven erlaubt.

3 Kommentare:

Eugenie Roth hat gesagt…

Lieber Johannes d. Ä., dieser Kommentar gehört nicht hierher, weil es gar keiner ist. Aber ich bekomme deine E-Mail mit meinem Computer superlangsamen Internet nicht zum "laufen".

Wo (Monat) hattest du bitte deine Heraldik versteckt? Ich würde gerne die Dt. Flagge kopieren - und wie gesagt - für sowas ist mein Internet, das auch leider immer wieder aussetzt, viel zu langsam. Für einen Tip in meine eMail wäre ich dir zutiefst verbunden.

E. Roth

Der Herr Alipius hat gesagt…

Will Teuffel (Namens-WIN!) nicht einfach sagen: "Wenn das Christentum sich nicht aus dem öffentlichen Raum zurückzieht, wird es aus dem öffentlichen Raum gedrängt"?

Johannes hat gesagt…

@Eugenie. Meinst Du vielleicht diesen Post: http://materamata.blogspot.com/2010/06/oremus-et-pro-christianissime.html