Sonntag, 9. Mai 2010

Nietzscheaner und Reichisten


"He spent ten Years in Attica, reading Nietzsche and Wilhelm Reich.", Heißt es in in einem Lied BobDylans. Eine aparte Mischung. Joey (Joe Gallo) saß wegen Gewalttaten von 1961 bis 1971 im New Yorker Hochsicherheitsgefängnis Attica, und nutzte - so vermutet Bob Dylan - seine Zeit, um seine profunden Literaturkenntnisse um die Kenntnisse der wichtigsten Theoretiker der dark sixties aufzubessern.

Wilhelm Reich, der schwarze Prophet der Revolte, ist da schon mal gesetzt, seine kruden Theorien gehörten zu den "must read" der antiautoritären Revolte. Die Kommune II verdiente ihr Geld unter anderem mit einem Raubdruck der "Massenpsychologie des Faschismus" in der "Schwarzen Reihe", einer Serie von legendären Raubdrucken erschienen unter anderem sein Aufsatz "Was ist Klassenbewußtsein" und "Charakteranalyse". Wer das verquere Idiom der heutigen Kultur68er verstehen will sollte sich - Bob Dylan hat recht - mit Wilhelm Reich beschäftigen.

Reading Wilhelm Reich. Wir können davon ausgehen, daß die etablierten Katholikenfresser und Ex-Streetfighter von Daniel Cohn-Bendit bis Ulrich Jörges ihren Reich gelesen haben.

Und Nietzsche? Ja, es gab eine antiautoritäre Nietzscheaner Szene. Zum gängigen Kokettierwissen gehörte weniger das passende Adorno-, als das passende Nietzsche-Zitat.

Wie die antiautoritäre Faust aufs Bullenauge paßten seine Aphorismen auf das Lebensgefühl der Streetfighter.
Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: "Ich, der Staat, bin das Volk."
War das Lieblingszitat von Matthias Beltz, oke, ich brauchs auch nicht nachlesen.

Gene Roddenberry hat in seiner Fernsehserie "Andromeda" (mit dem bestaussehendsten Computer-Avatar der Filmgeschichte) den Nietzscheaner ein zwielichtiges Denkmal gesetzt. Die N. sind Mutanten, gentechnisch hochgezüchtete Übermenschen, gewalttätig, egozentrisch, muskelbepackt, promisk.

Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, daß Roddenbery keine Sci-Fi-Nazis, sondern Sci-Fi-Anarchos beschreiben wollte. Nietzscheaner und Reichisten. Über die geistigen Brücken zwischen Sozialdarwinismus (Dawkinismus, so to say), Anarchismus und Reichismus muß ich noch nachdenken.

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