Donnerstag, 14. Mai 2009

Der Terror des Banalen


  Manchmal frage ich mich ja wirklich, warum ich mir das Abonnement einer Tageszeitung antue. Dieser Artikel war jedenfalls erstklassig geeignet, um mir mehr als nur die Frühstückslaune zu versauen. Vom jordanischen Welttheater, auf dessen Bühne ein Papst und ein Prinz (und Nachfahre des Propheten Muhammad) auftreten, führt diese Posse in die tiefen Niederungen einer hessischen Provinzbühne auf der Schmierenkomödianten ihre Version des Stückes "interreligiöser Dialog" aufführen.
   Aber mal schön langsam: Die Hessische Landesregierung verleiht einen Kulturpreis, der in diesem Jahr an "verdiente" Akteure des interkonfessionellen und interreligiösen Dialogs verliehen werden sollte, also an einen Katholiken (Karl Lehmann) einen Protestanten (Prof. Dr. Kirchenpräsident a.D. Peter Steinacker) einen Juden (Salomon Korn) und an einen Muslim. Als Muslim war nun zunächst Fuat Sezgin vorgesehen, der aber zurückzog, weil er nicht gemeinsam mit Salomon Korn ausgezeichnet werden wollte, der sich nach seinem Geschmack in der aktuellen Krise allzu unkritisch auf die Seite Israel gestellt habe.
   Also blies man die Preisverleihung zunächst ab und fand alsbald mit dem Schriftsteller Navid Kermani würdigen Ersatz. Bis Kermani in der Neuen Zürcher Zeitung eine Meditation über ein Altarbild Guido Renis veröffentlichte, das für einen Christen - zunächst - despektierlich erscheinen muß:
"Kreuzen gegenüber bin ich prinzipiell negativ eingestellt. (…) Es ist eine Absage. Gerade weil ich es ernst nehme, lehne ich das Kreuz rundherum ab. Nebenbei finde ich die Hypostasierung des Schmerzes barbarisch, körperfeindlich, ein Undank gegenüber der Schöpfung (...) Ich kann im Herzen verstehen, warum Judentum und Islam die Kreuzigung ablehnen. Sie tun es ja höflich, viel zu höflich, wie mir manchmal erscheint. (…) Der Koran sagt, dass ein anderer gekreuzigt worden sei. Jesus sei entkommen. Für mich formuliere ich die Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung und Idolatrie. (…)“
   Soweit das Zitat der Hessischen Staatskanzlei, die sich allerdings bedauerlicherweise das weitere Zitieren genau an der Stelle spart, wo es spannend wird, denn der Artikel endet - für einen Muslim geradezu revolutionär - mit dem Satz:
Ich fand (endlich)„den Anblick so berückend, so voller Segen, dass ich am liebsten nicht mehr aufgestanden wäre. Erstmals dachte ich: Ich - nicht nur: man -, ich könnte an ein Kreuz glauben.“
   Ein Muslim, der die Ablehnung der Kreuzestheologie formuliert, kann ja nun nicht überraschen, eher schon ein Muslim, der den Anblick des Kreuzes "berückend" findet, oder gar bekennt, daß er an ein Kreuz glauben könnte.
   Doch Kermani fand keine Gnade. Nun war es an den Herren Lehmann und Steinacker zu fordern, daß sie mit dem auf gar keinen Fall gemeinsam zu einer Preisverleihung erscheinen wollen, den Kermani habe ja einen Kernpunkt des christlichen Glaubens infrage gestellt.
    Eine erstaunliche Kritik. Wir haben doch noch Zollitschs Dementi im Ohr, nach der es  karfreitags  nicht um Christi Sühnetod, sondern um die "Solidarität Gottes" ginge, wir erinnern uns an einschlägige Beiträge protestantischer Prälaten, denen die Kreuzestheologie auch nicht mehr genehm ist, wir denken an unser Lieblingsbischöfin Margot Käßmann, die den toten Jesus am Kreuz abnehmen und durch spielende Kinder ersetzen wollte. 
   Und auch die beiden Geehrten haben sich ja nicht immer als glaubensfest erwiesen. Lehmann´s Versprecher in einer Diskussion mit dem unsäglichen Herr Schmidt-Salomon er "glaube nicht an die Kirche" ist mir jedenfalls unvergessen. Und daß Käßmann und Steinacker um des lieben Dialogs willen sogar die Bibel umdichten ließen zu einer "Bibel in gerechter Sprache", sollte mal erwähnt werden. Da wird dann aus Jesu prophetischer Verkündung "ich aber sage euch" ein windelweiches, aber vorgeblich dialogkompatibles "ich aber lege euch das heute so aus."
   Daß nun ausgerechnet diese beiden, bei denen wir schon viel zu häufig Glaubensstärke und Glaubensmut vermissen mußten, einen Muslim düpieren, der doch nur ausgesprochen hat, was man schon vor mehr als tausend Jahren in Talmud und Koran nachlesen konnte, ist nicht zu ertragen. 
Es gibt da ein paar gute Leute, die Freunde der allgemeinen Toleranz und des Friedens. Diese guten Leute scheinen zu glauben, dass ein Gespräch dann besonders fruchtbar ist, wenn von Anfang an alle einer Meinung sind.
  So schließt der FAZ-Artikel - auch die NZZ hat da nicht viel freundlicheres zu sagen. Daß da ausgerechnet die Windelweichen einen ausgrenzen, der nichts anderes getan hat, als den eigenen Glauben auszusprechen (im übrigen auch den Glauben der Juden), nenne ich den Terror des Banalen, oder  sollte ich besser den Terror der Banalen sagen?

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