Freitag, 28. Mai 2010

Die Lieben Kollegen


Wie bei regelmäßigen Lesern bekannt, bin ich ja Jurist (und auch sonst von beschränkter Natur). Nun drängt es mich natürlich, folgendes Urteil zu kommentieren:

Das OVG-Berlin-Brandenburg,  hat ein eeeeeentzückendes Urteil , ja wie soll man sagen, beschlossen und verkündet. Es geht um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zum muslimischen Mittagsgebet. Ein 16 jähriger muslimischer Schüler und einige seiner Mitschüler hatte in einer Berliner Oberschule während der Mittagszeit außerhalb des Unterrichts das muslimische Mittagsgebet verrichtet. Die Schüler trafen sich in einem Flur, der - wie der Kläger im Verfahren immer wieder betonte - ohne Publikumsverkehr war, um niemanden zu stören. Dort wurden sie nun von einem Lehrer erwischt, der - ja in Berlin ist man da schnell bei der Hand - sofort das Gebet untersagte, und den betenden Schülern eröffnete sie "könnten auch von der Schule fliegen".

Kurz darauf erhielten die Eltern einen eeeeeentzückenden Brief folgenden Wortlauts:
Aufgrund eines Vorfalls am 1. November 2007, an dem auch Ihr Sohn Y beteiligt war, muss ich Sie darauf hinweisen, dass an der öffentlichen Schule in Deutschland politische und religiöse Bekundungen nicht erlaubt sind. Vielmehr haben wir dafür Sorge zu tragen, dass das Neutralitätsgebot des Staates in allen seinen Einrichtungen durchgesetzt wird. Wir respektieren den Glauben eines jeden Menschen. Religiöse Bekundungen – dazu gehören insbesondere Gebete – gehören in den privaten Raum des Menschen oder in Gotteshäuser. Wir haben mit Ihrem Sohn ein erstes Gespräch geführt, in dem wir ihm die an der Berliner Schule geltenden Verhaltensregeln erläuterten. Ich bitte Sie als Eltern, die Schule in ihren Bemühungen zu unterstützen.
Yunus klagte und bekam zunächst im Eilverfahren recht, worauf ihm die Schule einen Gebetsraum zur Verfügung stellte - jedenfalls behauptete sie das. Das VG Berlin gab Yunus recht. Dem Gericht half ein Gutachter, der feststellte, daß die Verrichtung des regelmäßigen Tagzeitengebetes für Muslime verbindlich sei.

Nun hob das OVG Berlin-Brandenburg dieses Urteil auf. Interessant zunächst, wie sich das OVG für seine Entscheidung munitionierte. So beauftragte sie zunächst den Islamwissenschaftler Tilman Nagel mit der Erstellung eines Gutachtens. Einen Mann also, der sich häufig genug - und so ziemlich als einziger seiner Zunft - als berufsmäßiger Islamkritiker hervorgetan hat, und - apartes Detail - einer Freimaurerloge angehört. Es durfte nun also ein Mitglied der Freimaurerloge Augusta zum goldenen Zirkel in Göttingen zur Frage, ob die Teilnahme am Tagzeitengebet für Muslime verbindlich sei, gutachten. Wie diese Gutachten ausging, dürfte niemanden überraschen.

Toll, wer sich alles für und gegen das Urteil aussprach. Der Lesben- und Schwulenverband, der (laizistische) Türkische Bund, und die CDU eher dafür, die FDP, wie auch die evangelische Landeskirche und das katholische Bistum dagegen.

Ich bin dagegen. Und ich finde, wir sollten das Recht eines muslimischen Schülers auf das ihm vorgeschriebene Gebet verteidigen. Weil es nicht sein darf, daß "religiöse Bekundungen in den privaten Raum des Menschen gehören". Weil:
Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religi onsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. (Art. 9 Abs. 1 EMRK)
Ich hoffe doch sehr, daß da nicht das letzte Wort dazu gesagt wurde. Die Revision wurde ausdrücklich zugelassen.

5 Kommentare:

Eugenie Roth hat gesagt…

Religiöse Bekundungen gehören in den privaten Raum. Also: Keine Fronleichnams- und Flurprozession, kein Tragen eines Kreuzes - auch nicht am Hals - höchstens UNTER dem Hemd, auch das Gesangbuch bitte in die Handtasche!!! Und die Männer? Na, es gibt ja auch hübsche Taschen für Männer !!! BRRRRRR

Anonym hat gesagt…

Wer das Tragen eines Kreuzes mit dem Verhalten dieses Mohammedaners vergleicht, macht es sich sehr einfach. Islamische Religionsausübung im öffentlichen Raum ist immer auch eine politische Demonstration für eine Ideologie, die mit unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung nicht kompatibel ist. Hier gilt es, den Anfägen zu wehren.

Wenn alle Religionen und Kulturen gleichwertig wären, wäre Kanibalismus nur eine Frage des Geschmacks.

Elsa hat gesagt…

Natürlich ist es mit unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung kompatibel, wenn jemand in einem öffentlichen Raum ein Gebet verrichten möchte. ICH möchte das AUCH tun dürfen.
Ich verstehe zwar, um was es dir geht, Arminius, aber die Zeiten gehen über kurz oder lang dann so, dass auch Katholisch sein als eine Art Ideologie gesehen wird, dies zeichnet sich doch jetzt schon ab mit diesen dauernden haltlosen Homophobievorhaltungen, den hässlichen Ereignissen auf Gegendemos bei friedlichen Auftritten von Lebensschützern usw. Das Problem ist nicht die "Ideologie" des Islam, das Problem ist, dass es keine Schüler bzw. Eltern gibt, die ihr Recht einfordern, um 12 Uhr in der Schule eine Pause für das Angelus-Gebet eingeräumt zu bekommen. Wäre das etwa breiter Usus, müsste doch niemand einen muslimischen Jungen der eben sein Gebet auch verrichten möchte, als ideologische Bedrohung sehen.
Die meisten Muslime, die ich kennen gelernt habe, wollten doch einfach auch nur ihre Ruhe haben.
Dass es eine andere, nervigere, "triumphalistischere" Fraktion gibt, bestreite ich aber auch nicht.

Imrahil hat gesagt…

Wenn ich an der Fronleichnamsprozession teilnehme, ist das für mich definitiv auch eine politische Demontration.

Das Wort "auch" ist natürlich insofern wichtig, als ich sonst Sakramentsentwürdigung zu beichten hätte. Aber "auch" bzw. "auch sekundär" ist definitiv etwas anderes als "nicht".

Anonym hat gesagt…

In diesem Fall geht es um deutlich mehr als um einen Jungen, der eben mal beten möchte.