Sonntag, 6. Februar 2011

Dialog der Verstopften


Lese heute in der Zeitung "Bischöfe und Laien gehen im Streit um das Zölibat aufeinander zu"

Ein gewisser "tsv" in der WamS schreibt so. Interessante Sache das. Genannt werden die "Laien" Lammert, Schavan, Kiechle, Vesper. Ein Parlamentspräsident, eine Ministerin, ein Ordensprovinzial, der Sprecher eines sich katholisch nennenden Zentralkommitees, gegen dessen Rekrutierungsmechanismen die Prinzipien des demokratischen Zentralismus des leninistischen ZK der KPdSU noch leidlich basisdemokratisch aussehen. Nicht genannt, aber selbstverständlich mitgemeint die Professorii und Doktorii die das Memorandum 2011 unterzeichnet haben, hochbesoldete Bildungsfunktionäre im Dienste des Staates und der Kirche , Gremiokraten und Funktionäre unter ihnen nicht wenige, auf die die knackige Charakterisierung Hans Küngs im englischen Sprachraum zutrifft. Left-wing wackos on the fringe.

Was schließen wir daraus?

Die katholischen Männer und Frauen, die ihr hartes Brot außerhalb des kommoden öffentlichen oder quasiöffentlichen nämlich kirchlichen Dienstes verdienen, die sich vor allem der Familienarbeit oder der Arbeit in anderen Betrieben als denen der öffentlichrechtlichen beschützenden Werkstätten widmen, sind eines jedenfalls nicht: die Basis.

Nun, zur Basis gehören ja selbstredend auch nicht die Dialogpartner auf der anderen Seite. Und so dialogisieren denn auch verständnisvollst die längst dem wirklichen gemeindlichen Leben entfremdeten bischöflichen Funktionäre mit den dem Leben ihre Wähler entfremdeten Politikastern sowie mit denen aus dem Elfenbeinturm in einem Dialogprozeß der, wie man hört, schon seit 20 Jahren andauern soll. Was nun wirklich nicht mehr karikiert werden kann.

Eine im übrigen grauenhafte Vorstellung, führt man sich vor Augen, daß dieser Prozeß zum Memorandum 2011 geführt hat. Was wird wohl ganz am Ende dieses Prozesses stehen? Man mag es sich nicht vorstellen.

Manchmal keimt dann doch die Hoffnung, daß die Dialogpartner gleichsam die Husni Mubaraks des deutschen Katholizismus sind. Das sind nicht die jugendlichen Revolutionäre in der schwarzen Lederjacke. Es sind ergraute Männer und Frauen, zu nicht unerheblichen Teilen kurz vor oder auch schon lange nach dem Pensionsalter, die ihre besten Zeiten in den 60igern und wenigen Folgejahrzehnten hatten. Die vom großen Aufbruch träumten und eine der größte Katastrophen des katholischen Lebens in den letzten drei Jahrhunderten erlebten. Die sehen müssen, wenn sie es denn sehen wollten, daß der Glaube in unserem Land zu verlöschen droht, wie eine Kerze, die keine Nahrung mehr findet. Und die wissen könnten, wenn sie es denn wissen wollten, daß sie ein gerüttelt Maß an Schuld an dieser Katastrophe tragen. Die aber trotzdem noch immer meinen, daß nicht zu viel, sondern zu wenig der Arznei, die sie der Kirche verabreicht haben, die Ursache des Siechtums sei.

Mich erinnern sie an die Schamanen und Alchemisten, die dem chinesischen Kaiser Qín Shǐhuángdì quecksilberhaltige Arzneimittel verabreichten, damit dieser den Tod überwinde und ewig lebe. Der Kaiser starb an der Minamata-Krankheit.

Was diese Quacksalber vielleicht wirklich denken, hat der doch schon manchmal etwas verwirrt wirkende Herr Zulehner vor wenigen Wochen offen bekannt:
Unter den Pfarrern sei es heute so, dass die Jungen vom Denken her oft alt seien. Und ältere Pfarrer würden durch junges Denken auffallen. Der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner warnt vor dieser Entwicklung, weil in Zukunft der Kirche dadurch einiges drohe könnte:
"Ich habe den Eindruck, dass an dieser Entwicklung der Filter der ehelosen Lebensform beteiligt ist. Dieser bringt uns im Grunde genommen Modernitätsverweigerer herein in die Kirche. Deshalb muss man schon fragen, wäre es nicht besser, Verheiratete und Frauen zu weihen? Wenn man Leute mit normalen Zivilberufen auch zu Priestern weihen würde, dann hätten wir die Hoffnung, dass wir nicht zur Sekte werden."
Gemeint ist nun nicht "Modernität", sondern Modernismus. Übrigens gehören nach Zulehners 75% der jüngeren Priester zu den sogenannten Modernitätsverweigerer. Die Beschreibung dürfte recht präzise sein. Der Krawattenpriester - oder seine verschärfte Version, der Offene-Hemdkragen-Pfaffe - ist offenbar eine aussterbende Spezies. Jeder, der sich einmal mit einem jungen Priester oder Seminaristen unterhalten hat, wird das wissen.

Auf diesem Hintergrund klingt das Memorandum 2011 irgendwie nach "auf zum letzten Gefecht".

Donoso Cortez hat in seinem Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus den Begriff der "clasa discutidora" geprägt. Der Kern seiner Kritik am Liberalismus ist, daß der Liberalismus einer Entscheidung ausweiche. Sein Ideal sei das "ewige Gespräch", der Kern der "republikanischen Werte" - um mit Hern Lindner zu sprechen - beschränke sich auf reine Verfahrensnormen. Der Liberalismus kenne kein Ziel, keine Wahrheit und keine Notwendigkeit zur Entscheidung. In einer berühmt gewordenen Metapher sagt Cortes, daß die Liberalen auf die Frage nach Christus oder Barrabas mit einem Antrag auf Vertagung oder der Einrichtung einer Untersuchungskommission antworten würden. Auch die "diskutierende Klasse" der katholischen Funktionärs- und Politikerkaste findet offenbar in einem Jahrzehnte währenden Dialogprozeß ohne Sinn und Ziel ihr persönliches paradisum. Ob wohl der Marques von Valdegamas - und Nachfahre des Konquistadoren Hernando Cortes - sich eine clasa discutidora catolica hat vorstellen können?

8 Kommentare:

Maria Magdalena hat gesagt…

Krawattenpriester? Offener Hemdkragen? Welch fatale Verkennung der Situation!

Nein, Schlabberpulli oder "Rolli" (Rollkragenpullover) trug man in den 70-ern. "Hemd" oder gar Krawatte war viel zu reaktionär.

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Hervorragend!
Mensch, wat klasse!
Danke!

Johannes hat gesagt…

Oder AliceSchwarzerSchlabberfummel nicht zu vergessen. Aber von einem Prof kann ich doch wenigstens rahmengenähte Schuhe, Maßanzug und dezente Krawatte erwarten, oder? Naja, daß sind doch auch keine RICHTIGEN 70iger, sondern welche die schon mit 14 einen Bausparvertrag beim Beamtenheimstättenwerk abgeschlossen haben.

Tiberius hat gesagt…

Bravo!

Der Herr Alipius hat gesagt…

Prima Kommentar zur Lage! Danke!

Gallus hat gesagt…

"Aber von einem Prof kann ich doch wenigstens rahmengenähte Schuhe, Maßanzug und dezente Krawatte erwarten, oder?"

Jaaaaa, in der guten alten Zeit vielleicht, aber vom W3-Grundgehalt wird's eng.

Johannes hat gesagt…

@Gallus. 5.320,35 € brutto monatlich zuzüglich Beihilfe sollen nicht ausreichen für ordentliche Klamotten? Belieben zu scherzen?

Eugenie Roth hat gesagt…

Lauter modernitätsfeindliche junge Priester in der kath. Kirche? Oder doch wenigstes 75 % der jungen Priester? Na, wenn das nur stimmt! Dann geht's vorwärts ... aber richtig!!!